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(02.12.2016)

 


28.10.16  Abschied vom Natur-Prinzip?

 

In der Ernährung (vegan), in der Medizin (Naturheilkunde), in der Wissenschaft (Ökologie), aber ganz generell für unsere Lebensweise wird heute – aber auch schon seit Jahren – ein "Prinzip Natürlichkeit" beschworen bzw. gefordert.


Dabei wird gerne die naive Gleichung aufgestellt: natürlich = gesund.

Aber Natur kann auch gesundheitsschädlich sein, gerade für die zunehmende Zahl von Allergikern. Wie der allergiekrankeTalkmaster Ingolf Lück einmal ironisch sagte: Er könne nicht gesund leben, weil er das ganze Naturzeug nicht vertrage ...


Daher ist es auch irreal, zumindest stark übertrieben, wenn die - mit der Natur­medizin verbündete - Umweltmedizin behauptet, die meisten Krankheiten gingen auf Umweltbelastungen zurück und könnten nur mit natürlichen Mitteln geheilt werden.


Jeder Naturfetischismus, jede Forderung nach Bio + Öko total ist abzulehnen, und nicht nur aus gesundheitlichen Gründen. Ein naturreines Leben ist teuer, aber oft umsonst. Teuer, weil die Bioprodukte eben wesentlich mehr kosten, wobei man unge­wollt auch manchen Geschäftemacher fördert. Und umsonst, weil man meistens doch nicht sein Wunschziel erreicht. Unverfälschte Natur gibt es ohnehin nicht mehr, vieles scheinbar Natürliche ist längst denaturiert.


Der Natur- und Gesundheitsbewegung haftet - verständlich von ihrer Herkunft - vielfach etwas Alt­modisch-Verstaubtes sowie Lustfeindliches an. Bei ihr gilt (natürlich unausgesprochen) der Grundsatz: „Was gesund ist, macht keinen Spaß“ und umgekehrt: „Was Spaß macht, kann nicht gesund sein.“

Wir stoßen hier auf einen Puritanismus, die Forderung nach Verzicht, Abhär­tung und Askese, kalter Dusche und Leibesertüchtigung (auch wenn die heute scheinbar modern als Aerobic daherkommt). Nur so werde der Mensch - als "Sünder" - gesünder.


Damit verbun­den sind infantile Vorstellungen. Denn die reine Lehre wird meist von einer strengen Vaterfigur, einem Patriarchen (Typ Turnvater Jahn) vertreten, der bestimmt, was erlaubt und was verboten ist. Wer nicht natürlich-gesund lebt, dem geschieht es schon recht, wenn er krank wird. Wer aber gehorcht, der wird durch wunderbare Gesundheit belohnt werden.


Das klingt nach Abso­lution, und in der Tat, es gibt hier Züge einer Heilsbe­wegung, die mit Hoffnung auf Erlösung, mit Glauben an Befrei­ung zu tun hat.

Doch das ist ein Irrglauben. Es bedeutet nämlich einen ewigen - und vergeblichen - Kampf, sich stets total natur-gemäß zu verhalten. Oft hat man Angst, Fehler zu machen. Oder Schuldgefühle, weil man mal wieder "gesündigt" hat.


Ein solches lustfeindliches Verhalten fördert nie wirklich die Gesundheit. Denn die Unterdrückung von "verbotenen" Wünschen belastet den Menschen nicht nur seelisch, sondern auch körperlich.

Da ist es gesünder, etwas "ungesünder" und dafür lustvoller zu leben. Überhaupt ist ein stures Einhalten von Prinzipien und Regeln ganz schön langweilig. Von daher auch der Spruch: Wer gesund lebt, lebt auch nicht länger - es kommt ihm nur länger vor.


Lit.: modifiziert aus Ben-A. Bohnke: "Abschied von der Natur"


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20.10.16  Dimensionen der Wirklichkeit (2)

 

Die Unterteilung der Wirklichkeit in 5 Dimensionen, diese 5er-Unterteilung kann man „Quintismus“ nennen, von lateinisch quinque = fünf bzw. quintus = der fünfte.

   Die Zahl 5 diente auch schon der traditionellen Philosophie zur Unterteilung der Welt, allerdings in anderer Weise. Man unterschied die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft, über die als Fünftes der Geist herrscht, die Quintessenz (lat. quinta essentia). Auch heute verwenden wir ja den Begriff der „Quintessenz“, um das Wesentliche einer Sache zu benennen. Als graphisches Symbol für die 5 dient das Pentagramm, der 5-Stern.

   Ich werde im Folgenden zeigen, dass es gute, sachliche Gründe für eine Unterteilung der Wirklichkeit in 5 Dimensionen gibt. Damit behaupte ich aber nicht, dass die 5 die fundamentale (quantitative) Struktur des Seins ist. Es gibt sicher die Möglichkeit, die Welt in mehr oder auch weniger Dimensionen einzuteilen, doch diese anderen Unterteilungen scheinen mehr Nachteile zu haben.

 

Neben den sachlichen Gründen gibt es aber pragmatische Gründe für eine 5er-Unterteilung, wie gute Überschaubarkeit, gute Merkbarkeit u. ä. Kleinere Unterteilungen (z. B. nur in 2 Welten) sind  zu undifferenziert, größere Unterteilungen (wie z. B. 10 Welten) werden unübersichtlich. Auch dass wir an unserer Hand 5 Finger haben, mit denen wir als Kind lernen, zu zählen, prägt uns die 5er-Struktur tief ein.

  

Es gibt neben der 5er-Unterteilung aber auch andere Unterteilungen, in mehr Welten oder in weniger Welten, die teilweise in der Philosophiegeschichte und bis heute eine größere Rolle spielen.

 

Je nach Anzahl der verwendeten Dimensionen kann man  z. B. unterscheiden:


-          5: „Quintismus“: z. B. eben Form, Materie, Geist, Bewusstsein, Sprache

-          4: „Quartismus“: 4 Dimensionen, z. B. Form, Materie, Geist, Bewusstsein

-          3: „Terzismus“: 3 Unterscheidungen, z. B. Materie, Geist, Bewusstsein

-          2: Dualismus: 2 Unterscheidungen, z. B. Materie und Geist, Gut und Böse

-          1: Monismus: nur 1 Dimension, z. B. Materie.

 

Schon Aristoteles unterschied 5 Dimensionen, allerdings etwas anders definiert:

Hyle (Stoff), Dinge, Lebewesen, Seele, Geist.

Ein prominenter Vertreter einer Einteilung in 4 Dimensionen ist Nicolai Hartmann: Er   unterschied das Anorganische, das Organische, das Seelische und das Geistige.

   Die Unterteilung in 3 Dimensionen (wie oben) ist vor allem durch Karl Popper vertreten und bekannt geworden, in seiner „Dreiweltentheorie“.

   Dass es keine gängigen Begriffe für die 5er-, 4er- und 3er-Unterteilung gibt (für  die Unterteilung mit höheren Zahlen schon gar nicht), wohl aber für die 2er-Unterteilung (Dualismus) und die 1er-Theorie (Monismus) zeigt schon, dass die Aufteilung der Welt in zwei (2) Dimensionen oder aber die Theorie, dass es fundamental nur eine  (1) Dimension gibt, philosophie- bzw. geistesgeschichtlich die größten Rollen spielen.


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13.10.16  Dimensionen der Wirklichkeit (1)

 

Ich unterscheide in meiner Integralen Philosophie 5 Welten:

 

1.    Form  (logisch-mathematische Welt)

2.    Materie (stoffliche Welt)

3.    Bewusstein (psychische Welt)

4.    Geist (kulturelle Welt)

5.    Sprache (Welt der Zeichen)

 

So lässt sich die erste Stufe einer philosophischen Weltformel schreiben:

 

Welt = Form · Materie · Bewusstsein · Geist · Sprache

 

Der Begriff ‚Welt’ kann einmal die gesamte Wirklichkeit meinen oder aber Dimensionen dieser Wirklichkeit.

  Anstatt ‚Bewusstsein’ verwende ich auch den Begriff ‚Psyche’. Es wäre zwar günstiger, ich nutzte für diese Dimension – wie für die anderen – nur einen Grundbegriff; aber es wird sich zeigen, dass mal der eine, mal der andere Terminus besser trifft.

 

Eine kurze Beschreibung ist:

 

· Form (formale Welt)

eine immaterielle Welt jenseits von Raum und Zeit, vor allem durch logische und mathematische Objekte und Strukturen bevölkert.

 

· Materie  (materielle Welt)

die sinnlich wahrnehmbare bzw. messbare, raum-zeitliche Welt, vom Kosmos als Ganzheit bis zu den kleinsten Elementarteilchen, den Quarks.

 

· Bewusstsein  (psychische Welt)

man kann auch von Psyche oder innerer Wahrnehmung sprechen, es geht um die Innenwelt der Gedanken, Gefühle, Wünsche usw. oder um die Seele als Ganzes.

 

· Geist  (geistige Welt)

eine umstrittene, vielschichtige, vieldeutige Dimension, sie wird vor allem in Verbindung gebracht mit Begriffen und Aussagen sowie mit Kultur, Wissenschaft, Normen.

 

· Sprache  (sprachliche Welt)

die Zeichen und ihre Bedeutungen, von der menschlichen Sprache über den genetischen Code bis zu einem allgemeinen Symbolismus.




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05.10.16  Diagramm der 5 Welten


Die Theorie von 5 Welten spielt eine große Rolle in meiner Philosophie, darüber ist in verschiedenen Artikeln, auch auf dieser Homepage nachzulesen.

Ich habe auch einige Diagramme zu dem Modell der 5 Welten angefertigt (zusammengefasst im Punkt „Diagramme“ auf dieser Page). Das Diagramm unten ist einfach gehalten, aber es verdeutlicht übersichtlich, dass jede Welt mit jeder anderen in Beziehung steht und dass die Form eine herausgehobene Position besitzt, weil sie die Basis für alle anderen Welten bildet. 

   






27.09.16  Zeitgeist    -   7 Trends für das 21. Jahrhundert 


Diesen Text habe ich in veränderter Form vor vielen Jahren geschrieben, ursprünglich als Exposé für ein Buchprojekt. Dennoch meine ich, dass er immer noch aktuell ist, dass die 7 Trends, die ich beschreibe, im Wesentlichen bis heute Gültigkeit haben. Daher habe ich den Text auch kaum aktualisiert. Allerdings müsste man aus heutiger Sicht sicher einen eigenen komplexen Mega-Trend „Online“ hinzufügen, mit Digitalisierung, sozialen Netzwerken, Cyberworld u.ä.


   

1) AUSGANGSPUNKT

 

Wir leben in einer pluralistischen Zeit. Es gibt immer weniger allgemeinverbindliche Weltanschauungen und generell akzeptierte Werte in der Gesellschaft. Zwar finden wir auch zu früheren Zeiten nie eine gänzlich geschlossene Weltsicht und Werteorientierung, aber es dominierten doch eine oder allenfalls einige wenige Geistesströmungen.

 

Heute konkurrieren dagegen eine Vielzahl von Zeitgeistrichtungen - und kaum eine von ihnen kann beanspruchen, die Mehrheit der Bevölkerung zu repräsentieren. Andererseits sind diese Strömungen oft international verbreitet; zum Beispiel boomt die Esoterik nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Westeuropa und USA, neuerdings auch in Osteuropa.

 

Ich möchte sieben  zentrale Zeitströmungen bzw. Trends herausstellen: 1. Esoterik,  2. Selbstentfaltung, 3. Fitness, 4. Natur, 5. Technik, 6. Konsum und 7. Apokalypse. Sie sind deswegen zentrale, übergeordnete Trends (Meta-Trends), weil sie das gesamte gesellschaftliche oder individuelle Leben  erheblich beeinflussen oder sogar strukturieren. Anders als zum Beispiel Sporttrends: Es ist nicht so wesentlich für die Gesellschaft und für den einzelnen Anhänger, ob man sich vor allem für Fußball, Tennis, Golf oder Leichtathletik begeistert, welche Mode gerade in oder out ist. Aber wenn eine Gesellschaft bzw. ein Individuum sich sehr an der Esoterik (einschließlich Okkultismus) orientiert, dann hat das weitreichende Bedeutung. 

 

Es gibt in der modernen Welt sicherlich mehr als sieben wichtige Strömungen. Aber viele davon befinden sich im Abwärtstrend, verlieren an Bedeutung, wie soziales Engagement, Familie, kirchliche Religiosität oder Bildung. Andere Strömungen sind stark zeitgebunden. Ich habe sieben besonders aktuelle Strömungen ausgewählt, die voraussichtlich auch in der Zukunft, jedenfalls im nächsten Jahrzehnt eine entscheidende Rolle spielen werden.


   

2) DIE  SIEBEN  TRENDS

 

1. Esoterik und Light Age

Der Eso-Trend läuft schon seit Jahren, ist aber nicht erlahmt, sondern hat noch ein großes Wachstumspotential. Denn in dem Maße, wie Rationalisierung und Technisierung zunehmen, wächst das  kompensatorische Bedürfnis  nach geistiger Schau, Irrationalität und Verzauberung oder nach Führung durch einen weisen Meister, einen Guru. Meditation, Mystik und Magie - immer wieder werden neue Heilswege angeboten, von A wie Alpha-Training bis zu Z wie Zen. Mit der New-Age-Bewegung kam zum esoterischen Innenweg auch ein Engagement für Friedenspolitik, Umweltschutz und Feminismus hinzu. Die Richtung geht aber heute zum gänzlich unpolitischen Light Age, dem strahlenden Zeitalter des Lichts.

 

2. Selbstentfaltung und Psychotrip

Verbunden mit der Esoterik, aber doch davon abgrenzbar, ist das Bestreben, sich mit psychologischen Methoden weiterzuentwickeln. Die Spannweite reicht von verhaltenstherapeutischem self-management bis zur regressiven Suche nach dem “Kind in sich”, wobei ständig innovative Therapiemoden kreiiert werden, und das dürfte auch so bleiben. In letzter Zeit wurden zunehmend Psychopharmaka (wie das Antidepressionsmittel Prozac), elektronische “mind machines”  und therapeutische Computerprogramme zur Verstärkung eingesetzt, was sich trotz großer Vorbehalte sicherlich ausbreiten wird.

 

3. Fitness und Lebensverlängerung

Genauso, wie man seine Seele fit machen will, so möchte man den Körper jung und dynamisch erhalten. Alter und Krankheit werden immer stärker tabuisiert, gelten nahezu als obszön, sie sollen verhindert oder doch wenigstens verdrängt und übertüncht werden. Bodystyling total. Dabei gibt es zunehmend mehr Menschen, die Altern und Tod prinzipiell den Krieg erklärt haben und auf Lebensverlängerung oder gar Unsterblichkeit hoffen - ein mächtiger Trend. Konkret zeigt er sich in Sport, Diät, Vitamin-Megadosen, “Wundermitteln” wie Melatonin etc.

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4. Natur und Ökologie

Während manche sich Gesundheit und ewige Jugend vor allem von wissenschaftlichen Forschungen versprechen, setzen andere auf ein natürliches Leben, Rückkehr zur Natur soweit wie nur möglich: Naturkost, Kleidung aus Naturstoffen, Bio-Haus  - von der Wiege bis zur Bahre nur naturbelassenes Echtholz. Selbstverständlich geht es den “Ökos” gleichermaßen darum, die Natur, also Pflanzen, Tiere und Landschaften für die Zukunft zu schützen und zu erhalten.  Dagegen besteht meist eine Technikskepsis: Technik nein danke! Man organisiert sich vor allem in Bürgerinitiativen bis hin zu radikalen Tierschützern. Entsprechend der generellen Gewaltzunahme in unserer Gesellschaft ist auch eine Zunahme von Gewalttätigkeit in der extremen Ökoszene zu erwarten.

 

5. Technik und Wissenschaft

Sie stellen  weitgehend den Gegenpol zur ökologischen Weltsicht dar, sind ihrem Wesen nach grundsätzlich auf Vorwärts und Fortschritt eingestellt. Die aktuellsten und gesellschaftlich bedeutendsten Zukunftsentwicklungen sind die Computer- und die Biotechnologie. Sie werden unser Leben, aber auch den Menschen selbst revolutionieren. Wunschtraum oder Alptraum? Es wird viel kürzer dauern als bisher erwartet, bis der erste geklonte Mensch unter uns weilt. Aber auch die Revolutionen in Wohnungs- und Unterhaltungstechnik - zum Beispiel die Steuerung vom Herd, Heizung, Lampen über PC bzw. Fernbedienung -  bieten faszinierende Möglichkeiten.

 

6. Konsum und Erfolg

Es gibt eine große Zahl von Menschen, die sich fast nur für ihr eigenes unmittelbares Wohlbefinden interessieren, darunter insbesondere Jugendliche. Die einen wollen vor allem konsumieren und ihren Spaß haben. Mitnehmen, was man kriegen kann. Man darf das Leben als letzte Gelegenheit nicht verpassen. Mit der zunehmenden Beschleunigung unseres gesamten Lebens werden sich Konsumrausch und Kaufneurose noch steigern - bei denen, die es sich leisten können. Andere Glückssucher sind zwar arbeitsfreudig bis arbeitssüchtig, aber auch nur, um Erfolg und Anerkennung als narzisstische Ego-Belohnung einzukassieren.

 

7. Apokalypse und Dekadenz

Je näher das Ende des Jahrhunderts, ja sogar des Jahrtausends rückt, desto mehr steigt die “fin-du-siècle”-Stimmung, die Erwartung eines Weltuntergangs. Manche Menschen starren voll Zukunftsangst auf dieses magische Datum, andere genießen die dekadente Lust am Untergang. Aber auch nach der Zeitenwende werden Untergangspropheten Konjunktur haben. Überhaupt wird die Sensationsgier nach spannenden Berichten über Katastrophen, Krankheiten und Kriege weiter ansteigen,  geschürt von einer quoten- bzw. leserbesessenen Medienwelt. Ob Aids, Ebola oder BSE - Hauptsache es lässt sich vermarkten. (Hier ist zu berücksichtigen, dass der Text vor der Jahrhundert- bzw. Jahrtausendwende 2000 geschrieben wurde, dennoch ist das Thema „Weltuntergang“ auch heute noch sehr aktuell.)


   

3) ARGUMENTATION

 

Die genannten sieben Zeitgeistströmungen könnten – in einem umfangreicheren Text –genauer dargestellt, verglichen und analysiert werden. Aber es geht mir auch um eine kritische Bewertung: Welche Chancen und Risiken bergen diese Trends für den Einzelnen, die Gesellschaft und die globale Welt? Zum Beispiel der Natur-Trend: Nicht nur die “Ökos”, sondern die meisten Menschen halten Natur- und Umweltschutz für wichtige Werte bzw. Ziele. Wenn die Ökologie jedoch zur technikfeindlichen Ideologie wird, die zudem moralisierend alle “unnatürlichen” Freuden verbieten will, dann zieht die Mehrheit der Menschen berechtigterweise nicht mehr mit (man betrachte nur „grüne“ Vorschläge zur Erhöhung des Benzinpreises oder um einen obligatorischen Veggieday).

 

Andererseits der Trend Wissenschaft und Technik. Ohne High Tech gibt es keinen Fortschritt, und kein Low-Tech-Staat hat in der globalisierten Welt noch Wettbewerbschancen. Aber neue Technologien bergen auch neue Risiken. So könnte beispielsweise novel food - gentechnisch erzeugte Nahrung - noch ganz unbekannte  gesundheitliche Gefahren in sich tragen. Vor allem wird aber zu fragen sein, wie der Mensch die enormen wissenschaftlich-technischen  Umwälzungen psychisch und geistig verkraftet.

 

Generell könnte diskutiert werden: Welches Verhalten ist in unserer heutigen Zeit angemessen, funktional, evolutionär? Welches Verhalten lässt sich im positiven Sinne modern nennen? Ist Ausdruck eines aufgeklärten bzw. abgeklärten Bewusstseins? Und wo verbirgt sich hinter modischer Attitude doch nur  ein antiquiertes und stagnierendes Ritual?

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18.09.16  Die goldene Mitte zwischen Ärger und Akzteptanz

Vielleicht mag die biologische Evolution irgendwann zu einem „Übermenschen“ führen, der keinen Ärger und Zorn, keine Angst und Anpassung mehr kennt. Vielleicht gibt es sogar heute schon einzelne erleuchtete Geister - irgendwo als Einsiedler auf dem Himalaja -, die im völligen Frieden mit sich und der Welt leben.


  Aber wir Normalsterblichen haben Gefühle wie Angst, Schmerz und Wut. Anscheinend gehören diese Grundgefühle einfach zu unserer Natur, sind genauso normal wie Essen und Trinken. Machen uns sogar erst menschlich.  Wir sind nicht vollkommen, nicht über alles erhaben, wir sind keine Göt­ter.    Seien wir deshalb vorsichtig, wenn jemand einen Weg zum neuen Menschen anpreist. Bisher hat noch nichts den "alten Adam" und die "alte Eva" überwunden.


   Zwar ist es sinnvoll und auch notwendig, an einer Verbesserung unseres Lebens und an einer Weiterentwicklung der menschlichen Natur zu arbeiten. Die Suche nach einer Erlösung von allem Ärger und Leid ist aber unrealistisch - und maßlos. Das gilt auch für das scheinbar so bescheidene ­Streben nach völligem Annehmen, um so jedem Ärgernis ge­genüber ganz gelassen zu bleiben. Auch hier will man sich nicht damit abfinden, dass wir eben hin und wieder unter Ärger leiden.  


  Die Aufstellung eines Ideals wie "nie wieder Zorn", das per­fektionistische Bemühen um vollkommene „Zornlosigkeit“, hin­dert uns, spontan und unbefangen mit dem wellenförmi­gen Lebensstrom mitzuschwimmen, mit seinen Höhen und Tiefen, seinen "ups" und "downs". Zwar mag man die Sehn­sucht nach einem absoluten Frieden in seiner Seele bewahren. Aber der reale Mensch lebt im Rhythmus von Zufriedenheit und Ärger, in der Polarität von Yin und Yang. Es gibt eine Zeit des Annehmens und eine des Kämpfens. 


  Dabei sollten wir sowohl beim Annehmen wie beim Kämp­fen durchaus einmal bis an unsere Grenzen gehen, sie auslo­ten, ja sie überschreiten, um sie zu erweitern. Aber wir dürfen nicht ständig auf Grenzerweiterung aus sein, sondern müssen auch unsere Grenzen akzeptieren, unsere allgemeine wie per­sönliche Begrenztheit: dass man gegen manches nicht anzu­kämpfen wagt oder anderes einfach nicht anzunehmen ver­mag.    Entsprechend geht es auch nicht nur um einen Zyklus, ein Nacheinander von (extremen) Annehmen und Ablehnen, son­dern auch um ein Nebeneinander von ihnen, eine ausgewogene Verbindung, sinnvolle Integration. Wie es heißt: "Man soll die Dinge so (an)nehmen, wie sie kommen; aber man soll auch dafür sorgen, dass die Dinge möglichst so kom­men, wie man sie nehmen will."  


  Wichtig dabei ist: Zwar erleben wir unser Verhalten und ge­rade unsere Wut häufig ambivalent: Wut tut gut - Wut tut weh. Dennoch können wir zwischen positivem und  negativem Zorn (bzw. Kämpfen) unterscheiden, und entspre­chend zwischen positiver und negativer Friedlichkeit, Sanftmut  bzw. Annehmen.

 

l. Positiver Zorn:

   eine Kraft, uns durchzusetzen, uns gegen Ungerechtigkeit zu wehren.     

   Zorn  als  unser Freund und Rat­geber.   

2. Negativer Zorn:

   ein ständiges, übertriebenes, sinnloses An­kämpfen gegen alles und jedes.

   Zorn als Gegner und Ver­führer.

3. Positive Friedlichkeit:

   Gleichmut gegenüber kleinen Ärger­nissen.

   Hinnehmen, wenn wir  gegen ein Geschick ohn­mächtig sind.  

4. Negative Friedlichkeit:

    Ängstlichkeit oder Resignation. Berechtigte Wut verdrängen.

    Sich al­les gefallen lassen, sich immer  nur anpassen.  


Den positiven Zorn sollten wir akzeptieren, ja begrüßen: Das gilt besonders für den Annehmer, den Harmonie-Menschen, der - mit negativer Friedlichkeit - zu allem ja und amen sagt.

   Den negativen Zorn soll­ten wir dagegen möglichst überwinden. Das gilt vor allem für den Ablehner, den Konflikt-Menschen, der die positive Friedlichkeit lernen muss.   


In dem bekannten Gebet von Friedrich Oetinger heißt es zu diesem Thema:                           Gott gebe mir die Gelassenheit,

                        Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,

                        den  Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,

                        und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

 

     Doch manchmal brauchen wir Wut, um den Mut zur Änderung aufzubringen. Wir brauchen Ärger, um nicht zu ängstlich zu sein, Zorn, um nicht zu zaudern. Auch der Kampf gehört zur Ganzheit des Menschen und seines Lebens.    Wir müssen nur die - goldene - Mitte finden, zwischen Annehmen und Kämpfen, Anpassen und Wehren. Nach dem Motto: So wenig Zorn wie möglich, so viel Zorn wie nötig.   


Literatur: modifiziert aus Ben-A. Bohnke – Die Kunst, sich richtig zu ärgern