Meta-Ganzheit


(30.12.2018)


INHALT:

 

0 Einführung

 

1 System und Systemtheorie

1-1 Meta-Ganzheit in der Erfassung von Systemen

1-2 Meta-Ganzheit in der Bewertung von Systemen

 

2 Polarität und Polaritätstheorie

2-1 Meta-Ganzheit in der Erfassung von Polaritäten

2-2 Meta-Ganzheit in der Bewertung von Polaritäten

 

3 Fiktive  Diskussionen und ein Interview

3-1 Diskussion: Polaritätstheorie und Meta-Ganzheit

3-2 Diskussion. Systemtheorie und Meta-Ganzheit

3-3 Interview: Gesellschaft und Meta-Ganzheit

 

 

0  Einführung

 

Die Meta-Ganzheit ist wohl die Quintessenz, das Alleinstellungs-Merkmal meines Denkens, meiner Forschungen, meiner Philosophie, eingebettet in meine Integrale Lehre.

 

Das Modell der Meta-Ganzheit habe ich erstmals 1988 entwickelt, im Rahmen meines Buches über New Age, „Die schöne Illusion der Wassermänner“, das 1989 erschien.

 

Damals schrieb ich von Mega-Ganzheit, später änderte ich den Begriff in Meta-Ganzheit.

„Mega“ steht für eine sehr große Zahl. Konkret für eine Million. „Mega-Ganzheit“ bedeutet also eine übergroße, gesteigerte Ganzheit.

„Meta“ bedeutet, dass sich etwas auf einer höheren Stufe, einer höheren Ebene befindet oder hinter etwas steht. „Meta-Ganzheit“ meint also eine übergeordnete Ganzheit oder die Ganzheit hinter der Ganzheit.

 

Heute finde ich beide Begriffe geeignet und verwende sie parallel (gerade in meinen älteren Schriften steht noch der Begriff „Mega-Ganzheit“).

 

Die Theorie der Meta-Ganzheit nenne ich „Meta-Holismus“ bzw. „Mega-Holismus“ (der Holismus ist die Ganzheitslehre).

 

Ich schrieb damals (New Age, 1989, S.142-143) über die Mega-Ganzheit:

„Was ist denn bitte Mega-Ganzheit? Eine genaue Definition kann ich Ihnen nicht geben, lässt sich überhaupt nicht geben. Denn der Begriff „Mega-Ganzheit“ soll auch ausdrücken, dass sich diese höhere Ganzheit einem direkten Zugriff entzieht, unser normales Denken übersteigt … Ich einer ersten Annäherung können wir die Mega-Ganzheit jedoch bestimmen als die übergeordnete Ganzheit, die Ganzheit und Unganzheit integriert; d. h. sie umfasst Ganzheitlichkeit und Geteiltheit, das Ganze und seine Teile, undbringt sie in eine sinnvolle Verbindung. Stellen Sie sich z. B. ein Essen vor, bei dem sie einerseits den Gesamtgeschmack definieren, andererseits jede einzelne Zutat herausschmecken; oder eine Musik, bei der Sie dem Gesamtklang lauschen, aber auch jede Stimme bzw. jedes Instrument heraushören können.“ (Das wird in dem Buch weiter ausgeführt).

 

Obwohl ich es auch heute vertretbar finde, die Meta-Ganzheit nur indirekt zu beschreiben, fand ich es später doch wichtig, Mega-Ganzheit exakter zu definieren, vor allem innerhalb einer System-Theorie und einer Polaritäts-Theorie. Dieses sind die beiden wichtigsten Theorien, die Ganzheit thematisieren.

 

Man kann die Mega-Ganzheit verwenden:

1) für eine Beschreibung oder Erfassung (Erkenntnis-Prinzip)

2) für eine Bewertung bzw. Handlungsanweisung (Optimierungs- oder Evolutions-Prinzip)

 

Wie sich später noch zeigen wird, kann die Erfassung eines Systems auch zur Bewertung eines Theorie herangezogen werden, nämlich wie vollständig sie in System beschreibt, ob sie es meta-ganzheitlich beschreibt. Und ein System kann danach bewertet werden, ob es sich ganzheitlich verhält.

Pointiert stellen sich so zwei Fragen:

- für eine Theorie: beschreibt sie meta-ganzheitlich oder nicht?

- für ein System: verhält es sich meta-ganzheitlich oder nicht?

 

 

1  System und System-Theorie

 

Es gibt sehr viele verschiedene Systeme, von einer mathematischen Gleichung, über einen Organismus, bis zu einer Gesellschaft und schließlich einem Sternensystem.

Die Systemtheorie ist die Wissenschaft, die Systeme allgemein beschreibt. Spezielle Systeme, z. B. das Gesellschaftssystem, wird von der jeweiligen spezifischen Wissenschaft untersucht, also hier der Soziologie oder soziologischen Systemtheorie.

Ein System umfasst:

1) Elemente

2) Struktur (Beziehungen zwischen den Elementen)

3) Umweltbeziehungen

4) Ganzheit ( = Einheit)

 

Die Meta-Ganzheit ist die Zusammenfassung bzw. Integration aller 4 Komponenten. Sie übersteigt damit auch die Ganzheit, denn Ganzheit ist auch nur eine Komponente neben anderen.

Man könnte zwar auch zusätzliche Komponenten eines Systems anführen, z. B. Funktion.

Aber solche zusätzlichen Faktoren lassen sich in die o. g. 4 Faktoren eingliedern, die Funktion lässt sich vor allem bei der Struktur unterbringen. (Ich habe umfangreiche Analysen unternommen, welche Komponenten man zur Definition eines Systems benötigt, werde die Diskussion und die verschiedenen Alternativen vielleicht einmal an anderer Stelle veröffentlichen.)


Beispiel: eine Familie als System

1) Elemente:

Familienmitglieder, z. B. Vater, Mutter, Sohn, Tochter

2) Struktur:

Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern, z. B. Machtverhältnisse. Mutter steht in der Rangordnung ganz oben, dann kommt Vater, danach der Sohn, zum Schluss die Tochter

3) Umweltbeziehungen:

Kontakte der Familie(nmitglieder) zur Umwelt; um nur eine von sehr vielen möglichen Außenbeziehungen zu nennen: die Mutter hat einen Geliebten.

4) Ganzheit ( = Einheit):

Die Familie als Ganze, so wie sie von anderen wahrgenommen wird oder auch von der Verwaltung erfasst wird, z. B. „die Müllers“.

 

 

1-1 Systemtheorie: Meta-Ganzheit in der Erfassung von Systemen

 

Die Erfassung und Analyse von Systemen ist der Schwerpunkt der Systemtheorie.

Die Meta-Ganzheit umfasst wie gesagt alle Komponenten des Systems: Elemente, Struktur, Umweltbeziehungen und Ganzheit. Und für die Theorie der Meta-Ganzheit, den Meta-Holismus oder spezifisch die meta-holistische Systemtheorie, ist es kennzeichnend, dass er diese 4 Komponenten gleichermaßen erfasst, dass er ihnen prinzipiell die gleiche Wichtigkeit einräumt. Dann aber differenziert, unter welchen Bedingungen (konditional) oder in welchen Situationen (situativ) welche Komponente dominant ist.

 

Dies unterscheidet den Meta-Holismus von anderen Denkschulen und Denkrichtungen, die meistens einseitig eine Komponente herausheben.

 

1) Atomismus

Fokussiert sich auf die Elemente („Atome“) oder allgemeiner auf die Teile eines Systems.

Die anderen Komponenten  - Struktur, Umweltbeziehungen, Ganzheit – werden (weitgehend) ignoriert oder jedenfalls als weniger wichtig angesehen.

Diese Haltung war in der Wissenschaft und ist es teils bis heute weit verbreitet: Man geht davon, wenn man die Elemente eines Systems kennt, dann kann man daraus alles andere ableiten, z. B. die Struktur erklären. Eine solche Haltung nennt man auch Reduktionismus, weil sie z. B. das Ganze auf seine Teile reduziert. Aber schon Aristoteles wusste: „Das Ganze ist mehr als die Summe einer Teile.“ Für den Atomisten ist es typisch, dass er den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht.

Am Beispiel der Familie sind für den Atomisten die einzelnen Familienmitglieder entscheidend; wenn er die kennt, dann kann er nach seiner Überzeugung die ganze Familie erklären.

 

2) Strukturalismus

Fokussiert sich auf die Strukturen eines Systems, also auf die Beziehungen zwischen den Elementen und Teilen eines Systems. Man kann von Innen(welt)beziehungen sprechen. Diese Beziehungen begründen auch – funktionale oder kausale – Abhängigkeiten.

Nach dem Strukturalismus definieren die Strukturen (weitgehend) das System, z. B. auch die Elemente; oder noch radikaler, die Strukturen allein sind wesentlich für das System.

Ich hatte bei der Familie als ein Beispiel für die Struktur die Machtverhältnisse genannt. Für den Strukturalisten ist dann die Rangordnung selbst das Wesentliche, welches Familienmitglied genau an welcher Stelle steht, ist nicht so wichtig. Im Extrem kann man die Familienmitglieder auch einfach durch Symbole ersetzen.

 

3) Ökologismus

Fokussiert sich auf die Umweltbeziehungen des Systems, also z. B. des Systems Familie. Diese Einstellung beschreibt sehr treffend der bekannte Satz: Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist.“ Hier sind es also die Beziehungen zur Umwelt, welche die Identität des Systems bestimmen.

Die Familie als Ganze, aber auch jedes Familienmitglied hat normalerweise unzählige Beziehungen zur Umwelt; damit ist natürlich nicht nur die biologische Umwelt, die Natur, gemeint, sondern vorrangig andere Menschen bzw. andere Sozialsysteme.

Ich hatte als ein Beispiel genannt, dass die Mutter einen Geliebten hat, also eine erotische Beziehung zu einem anderen Mann besitzt. Und es leuchtet ein, dass diese außereheliche Beziehung (jedenfalls wenn sie bekannt wird), einen sehr großen Einfluss auf die Familie ausüben kann, ja sogar die Familie zerstören kann.

 

4) Holismus (bzw. Emergentismus)

Fokussiert sich auf die Ganzheit des Systems. Man könnte Ganzheit prinzipiell auch verstehen als das Gesamt von Elementen, Strukturen und Umweltbeziehungen.

Ich verstehe Ganzheit hier aber als Einheit.

Zum Beispiel ist die Familie die Einheit, gegenüber den Familienmitgliedern als Elementen. Oder der Wald ist die Einheit, gegenüber den Bäumen als Elementen.

Graphisch kann man sich diese Ganzheit (Einheit) als einen Kreis vorstellen, während sich die Elemente und Strukturen innerhalb des Kreises befinden und  die Umweltbeziehungen den Kreisrand durchbrechen.

Eine Familie hat ganzheitliche Eigenschaften: Z. B.: Die Familie Müller hat vier Familienmitglieder; diese Eigenschaft kommt nur der Gesamtfamilie zu, nicht den einzelnen Familienmitgliedern.

Der Holismus besagt nun, dass diese Ganzheit das Wesentliche an einem System ist.

Prinzipiell könnte man sich vorstellen, dass die Ganzheit sich aus den Elementen, Strukturen und Umweltbeziehungen ableiten lässt.

Aber im Holismus wird normalerweise ein Emergentismus vertreten: D. H. die Einheit ist etwas grundsätzlich Neues, Übergeordnetes, Komplexes, das sich eben gerade nicht aus Elementen, Strukturen und Umweltbeziehungen ableiten lässt. Und die Einheit besitzt eigenständige Eigenschaften, die sich nicht direkt aus den Eigenschaften der Elemente ergeben.

Das sind also im Grunde zwei Stufen von Emergenz. Z. B. wird das Gehirn als eine höhere Einheit verstanden, die sich nicht einfach auf Nervenzellen, Synapsen, Nervenbahnen usw. reduzieren lässt. Und weiter wird Bewusstsein als eine emergente Eigenschaft des Gehirns (Gehirnsystems) verstanden. D. h. Bewusstsein lässt sich nicht aus den Eigenschaften von Nervenzellen, Synapsen, Nervenbahnen usw. erklären, sondern bedeutet einen Sprung auf eine andere, höhere Ebene.

 

Atomismus, Strukturalismus, Ökologismus und Holismus: Alle diese Denkschulen sind einseitig, reduzieren die Komplexität eines Systems überwiegend auf einen Faktor. Das kann aus Unkenntnis geschehen, aus mangelndem Verständnis für Ganzheit, aber auch aus ideologischen Gründen. Jedenfalls sind alle diese Schulen nicht ganzheitlich bzw. nicht holistisch.

 

Die Meta-Ganzheit bzw. der Meta-Holismus erfassen dagegen die Komplexität des Systems mit einem komplexen Modell, das der System-Komplexität adäquat ist. Der Meta-Holismus wird normalerweise davon ausgehen, dass Elemente, Strukturen, Umweltbeziehungen und Ganzheit alle zusammen ein System bestimmen, keineswegs nur ein einzelne Komponente. Die Meta-Ganzheit ist ja gerade die höhere Ganzheit, die die anderen Komponenten integriert.

Und der Meta-Holismus wird berücksichtigten, dass je nach Situationen, Umständen, Bedingungen bzw. Randbedingungen einmal der Atomismus recht haben kann und ein anderes Mal Strukturalismus, Ökologismus oder Emergentismus. Dazu folgende Erläuterungen:

 

Atomismus: In Bezug auf eine Gesellschaft wird der Atomismus darauf verweisen, dass einzelne Personen einen enormen Einfluss auf die ganze Geschichte ausüben können, Diktatoren wie Hitler und Stalin, aber auch spirituelle Führer wie Gandhi oder der Papst. Auch Gruppen von herausragenden Individuen, nämlich Eliten, besitzen u. U. eine Macht, die  weit über ihre zahlenmäßige Bedeutung hinaus ragt. Aus der APO kennt man kennt die Rede von der "kleinen radikalen Minderheit", die die gesamte Gesellschaft verändern kann. Hier stützt der Mega-Holismus  die These des Atomismus.

 

Strukturalismus: Marshall McLuhan sagte in den 50er Jahren: "Das Medium ist die Botschaft." Er meinte damals das Radio. Heute würden wir ähnliches über das Internet sagen können: Im Mittelpunkt steht der ständige Austausch von Botschaften, der Inhalt dieser Botschaften ist aber überwiegend banal, unwichtig und nur egozentrisch. Hier würde der Meta-Holismus dem Strukturalismus recht geben, dass die Wechselwirkungen das System dominieren.

 

Ökologismus: Wenn ein Staat in Konflikt, Feindschaft oder sogar im Krieg mit anderen Staaten, allgemein also mit seiner (politischen) Umwelt steht, dann hat das enorme Auswirkung auf diesen Staat, seine Mitglieder und Strukturen. Sehr häufig erlebt man eine Solidarisierung nach innen, verbunden mit der Abgrenzung nach außen. Und wer da nicht mitzieht, kann seinerseits zum Feind gestempelt werden. Hier dominieren die Außenbeziehungen das System, und so würde der Meta-Holismus dem Ökologismus in diesem speziellen Fall recht geben.

 

Holismus / Emergentismus

Es gibt Situationen, in denen ein System, z. B. eine menschliche Gruppe, weitgehend als eine Einheit auftritt. Z. B. in dem oben beschriebenen Kriegsfall. Oder wenn eine Fußballmannschaft das Weltmeisterfinale gewinnt. Dann ist normalerweise die Mannschaft eine Einheit, und zwar eine emergente: die Mannschaft entwickelt einen Geist, der sich nicht allein aus den einzelnen Spielern erklären lässt. Und das "Volk", die Gesellschaft fühlt sich (großteils) eins mit der Mannschaft. "Wir sind Weltmeister." Oder z. B. auch: "Wir sind Papst."

 

Aber Atomismus, Strukturalismus, Ökologismus und Holismus haben eben immer nur unter besonderen Randbedingungen recht, sie haben partiell recht, erfassen aber nie die ganze komplexe Realität.

 

Nehmen wir nur ein Beispiel aus dem Holismus / Emergentismus: Nicht jede Gruppe ist eine harmonische Ganzheit. In menschlichen Gruppen überwiegen oft Konkurrenz, Neid, Feindseligkeit, ja Hass. Eine solche Gruppe ist gespalten und nicht ganzheitlich; eine Gruppe kann sogar zerfallen, sich auflösen.

Oder nehmen wir als Beispiel einen Organismus, den Körper eines Lebewesens. Sicher kann man erst einmal davon sprechen, dass so ein Organismus eine Ganzheit ausbildet. Aber wenn z. B. eine Autoimmunerkrankung vorliegt, bei der das Immunsystem den eigenen Körper angreift, kann man nicht mehr wirklich von Ganzheit sprechen. Im Extrem zerstört das Immunsystem seinen eigenen Körper und führt zu dessen Tod.

 

Nur ein meta-ganzheitlicher Ansatz wird der Komplexität von Systemen gerecht, unter unterschiedlichen Bedingungen, in unterschiedlichen Zeiten, an unterschiedlichen Orten.

 

 

1-2 Systemtheorie: Meta-Ganzheit in der Bewertung von Systemen

 

In erster Linie verwendet man das Modell der Meta-Ganzheit als Erkenntnis-Prinzip, zur Erfassung von Systemen, aber man kann es auch zur Bewertung von Systemen verwenden bzw. zur Formulierung von Handlungsaufforderungen. Dies macht natürlich nur Sinn bei intelligenten Systemen, die bewusst Entscheidungen treffen können, also z. B. Menschen oder Gruppen von Menschen bis hin zu Staaten. Es geht hier konkret darum, die Reife oder den Evolutionsgrad des Systems zu bewerten.

 

Wir können hier wieder 4 Richtungen unterscheiden:

 

1) Individualismus (Elemente)

Der Individualismus  fordert,  dass ein System in erster Linie seine Elemente fördern soll. Er misst also den Elementen im System den höchsten Wert zu. Dagegen gilt z. B. die Ganzheit, ja generell Gleichgewicht und Kollektivität als problematisch, als einengend, bevormundend, repressiv.

Betrachten wir zum Beispiel ein Gesellschaftssystem, einen Staat. Politisch wäre hier die FDP zu nennen, die auf die Freiheit und Selbstverantwortung jedes Einzelnen, des Individuums setzt und „so wenig Staat wie möglich“ möchte.

Problematisch ist daran, dass so Egoismus, Egozentrik und Narzissmus gefördert werden, dass Tugenden wie Rücksicht, Solidarität und Mitgefühl abgeschwächt werden.

Und dies ist in unserer aktuellen deutschen Gesellschaft ein echtes Problem, gerade auch bei den Jugendlichen.

Viele kleine Teenie-Mädchen halten sich heute für einen Star, obwohl sie nichts von Bedeutung geleistet haben, einfach nur, weil sie sich stylen und irgendwelche albernen Filmchen auf Youtube posten. Hier ist ein narzisstisch aufgeblähtes Ego, hinter dem sich eigentlich nur Leere und Öde verbergen, aber keine reife und kreative Persönlichkeit. Natürlich gibt es das auch bei männlichen Teenagern, wenn wohl auch weniger.

 

2) Interaktionismus (Struktur)                  

Der Interaktionismus spricht der Struktur in einem System den höchsten Wert zu, insbesondere Interaktion und Kommunikation – das ist für den Interaktionismus eine Art Religion. In der heutigen Zeit kommt das meist als Vernetzung, Verlinkung daher. Der Interaktionismus fordert, dass vor allem das „Netz“, z. B. das Datennetz, das Internet, insbesondere soziale Netzwerke gefördert werden; wie bei einem Ping-Pong-Spiel müssen die Daten ständig hin- und herfließen, permanenter, hektischer Austausch ist das Gebot. Das Internet soll absolut frei sein, ohne irgendwelche Beschränkungen. Hauptsache man ist in Interaktion, in Kommunikation, worüber ist es nicht so wichtig.

Natürlich ist es grundsätzlich richtig, dass Interaktion die Gesellschaft zusammenhält.

Aber der Interaktionismus sieht das einseitig und übertrieben. Es kommt nicht nur auf

die Interaktion an sich an, sondern auch auf die Inhalte, die Substanz. Im Internet werden ständig Millionen oder Milliarden unwichtige, falsche oder redundante Informationen ausgetauscht. Es ist eine informationsflut, in der es immer schwerer fällt, Wichtiges von Unwichtigem, Wahres von Falschem zu unterscheiden. Es ist ein Informationsmüll.

Dabei geht auch verloren, dass es durchaus Sinn haben kann, einmal nicht zu reagieren, passiv zu sein, nämlich gelassen zu bleiben und sich der permanenten, zwanghaften, süchtigen Kontaktwut zu verweigern.

 

3) Externismus (Umweltbeziehungen)

Dass die Umweltbeziehungen besonders wichtig und wertvoll sind, lässt sich von zwei gegensätzlichen Standpunkten aus begründen.

In einem offenen System, einer offenen Gesellschaft, wird z. B. der frei Handel gefördert und es wird gefordert, die Grenzen zwischen den Staaten sollen so durchlässig wie möglich sein oder ganz aufgehoben werden.

In einem (weitgehend) geschlossenen System, einer geschlossenen Gesellschaft, geht es umgekehrt gerade darum, die Grenzen zu sichern und ggf. zu schließen. So wird bei der Flüchtlingskrise gefordert, möglichst wenige Flüchtlinge hereinzulassen bzw. aufzunehmen. In anderen Staaten wird wiederum den Bürgern verboten oder wenigstens erschwert, das Land zu verlassen. Ganz extrem war das in der DDR, wo die Menschen durch eine Mauer und mit Schießbefehl daran gehindert wurden, sich ins Ausland abzusetzen oder es auch nur zu besuchen.

Gerade in totalitären Staaten setzt man auf Abschottung und Abgrenzung bzw. Ausgrenzung. Aber auch in nicht totalitären Staaten können Isolation und Autarke ein Ziel sein. In England gab es im späten 19. Jahrhundert das Ziel der „splendid Isolation“ (wunderbare Isolation), und mit dem Brexit geht man wieder in die gleiche Richtung.

 

4) Ganzheit (Holismus) Kollektivismus

Aus ganz unterschiedlichen Richtungen wird die Ganzheit, z. B. eines Staates, als oberster Wert hervorgehoben. Bei den Nazis hieß es: „Du bist nichts, dein Volk ist alles.“ Oder der „Tod für Vaterland“ galt als süß und ehrenvoll. Aber auch der Demokrat Kennedy sagte: „Frage nicht, was dein Staat für dich tun kann, sondern frage, was du für deinen Staat tun kannst.“

Gerade beim Holismus kann man sagen, dass die Ganzheit als oberstes Ziel der Evolution gilt, genauer: dass der Grad der Ganzheit möglichst hoch sein soll. Denn ein System ist nicht entweder ganzheitlich oder nicht, sondern kann verschiedene Stufen von Ganzheitlichkeit durchlaufen. Dabei muss ein System immer einen hinreichenden Ganzheitsgrad aufweisen, sonst ist es gar kein System.

 

Der Meta-Holismus unterscheidet sich wieder von den genannten Richtungen bzw. integriert er sie. Meta-ganzheitlich wird keine der 4 Komponenten eines Systems, Elemente, Struktur, Umweltbezug, Ganzheit als höher und wertvoller als die anderen eingeordnet. Von daher gibt es auch keine Aufforderung, nur oder ganz überwiegend diese eine Komponente zu entwickeln.

Sondern meta-ganzheitlich sieht man es als positiv an, wenn ein System dynamisch, flexibel, evolutiv die Komponente fördert, die in der gegenwärtigen Situation gerade wichtig ist. Anders gesagt, ein solches System ist selbst meta-ganzheitlich, steht damit auf einer hohen Evolutionsstufe. Es besitzt maximale Freiheitsgrade, befindet sich zwar grundsätzlich in einem Gleichgewicht, aber kein starres, unveränderliches Gleichgewicht, sondern ein dynamisches Gleichgewicht, das offen für Veränderungen und Evolution ist, auch wenn dadurch vorübergehend der Ausgleich im System gestört wird.

 

In einer Gesellschaft mit stark individualistischen, egozentrischen, ja narzisstischen Mitgliedern ist es aus meta-ganzheitlicher Sicht wichtig, Aspekte von Ganzheit, Kollektivität, Einheit zu verstärken. Oder auch die Strukturen, die Interaktionen zwischen den Elementen, sprich Individuen zu forcieren.

 

In einer Massengesellschaft, in der Individualität unterentwickelt ist, wo nur das große Ganze zählt und von den Menschen totale Unterordnung verlangt wird, muss das System das Individuelle, Persönliche, Singuläre steigern und eben entsprechend deren Wert im Bewusstsein erhöhen.

 

Oder nehmen wir eine Familie als Beispiel: wenn alle Mitglieder nur nach außen (Umwelt) orientiert sind, also die Kontakte zu Menschen außerhalb der Familie pflegen und die Innenbeziehungen völlig vernachlässigen, so ist das System instabil und kann zerbrechen. Hier wäre es aus meta-ganzheitlicher Sicht wichtig, die inneren Strukturen, die interne Interaktion und Kommunikation zu erneuern und zu verstärken.

 

 

 

2  Polarität und Polaritäts-Theorie

 

Unter Polarität versteht man, wenn zwei (oder mehr) Dinge / Eigenschaften / Begriffe im Gegensatz stehen, sich aber andererseits zu einem Ganzen ergänzen.

Z. B. warm – kalt (Ganzheit: Temperatur), langsam – schnell (Ganzheit: Geschwindigkeit), leicht – schwer (Ganzheit: Gewicht); zwar werden z. B. auch Sonne – Mond als Polaritäten genannt, aber hier ist es schwer, die Ganzheit anzugeben.

Als wichtigste Polarität gilt die zwischen Yin und Yang, die auch als „weibliches Prinzip“ und „männliches Prinzip“ bezeichnet werden; dies ist allerdings problematisch und missverständlich.

Die Polarität wird von der Polaritätstheorie beschrieben, wovon es allerdings viele verschiedene Variationen gibt. Die Polaritätstheorie  wurzelt einerseits in alten, religiösen und mythischen Denkschulen, vor allem östlichen, aber sie lässt sich auch wissenschaftlich definieren, z. B. durch die Polarität Teilchen – Welle in der Physik.

Da man ein System als Grundstruktur des Seins auffassen kann, wir die Polaritätstheorie entsprechend auch auf Systeme angewandt, indem man die Polaritäten eine Systems analysiert.

Die Polarität umfasst prinzipiell:              z. B.:

1) Plus-Pol                                             Yang (männliches Prinzip)

2) Minus-Pol, Gegen-Pol                          Yin (weibliches Prinzip)

3) Ganzheit, Gleichgewicht der Pole          YinYang

4) Einheit (prä- bzw. trans-polar)                Tao

 

 

2-1 Polaritätsheorie: Meta-Ganzheit in der Erfassung von Systemen

 

Bei der Polaritätstheorie steht allerdings – anders als bei der Systemtheorie – nicht die Beschreibung, sondern die Bewertung eines Systems im Vordergrund.

Die Meta-Ganzheit bzw. der Meta-Holismus (die Theorie der Meta-Ganzheit) erfasst alle 4 oben genannten Punkte. Sie übersteigt damit die Ganzheit, weil sie zusätzlich auch die einzelnen Pole und die Einheit erfasst. Und sie weist allen Komponenten erst einmal die gleiche Wichtigkeit zu. Bzw. berücksichtigt der Meta-Holismus, unter welchen Bedingungen, in welcher Situation welcher der 4 Aspekte die größte Bedeutung hat.

 

Dies im Gegensatz zu anderen Denkrichtungen, Theorien oder Weltanschauungen

 

1) Maskulinismus (Yang)

Ähnliche bzw. verwandte Begriffe sind Mechanismus, Maschinismus, Materialismus. Der Maskulinismus fokussiert sich auf das Yang, das männliche Prinzip, andere Komponenten werden (weitgehend) ignoriert oder jedenfalls als weniger wichtig eingeschätzt.

Z. B. sagt der Maskulinismus, dass das Yang die Welt beherrscht. Davon zeugen Begriffe wie „der Kampf ums Dasein“ oder Sätze wie „alles ist Kampf“, „der Krieg ist der Vater aller Dinge“.

 

2) Feminismus (Yin)

Verwandte Begriffe sind Emotionalismus oder Irrationalismus. Fokussiert sich auf das Yin, das weibliche Prinzip, andere Komponenten werden (weitgehend) ignoriert oder jedenfalls als weniger wichtig eingeschätzt.

Z. B. kann ein Feminismus sagen, dass das weibliche Yin die Welt regiert. „Alles ist Liebe“ wäre eine Deutung. Natürlich gibt es andere Richtungen des Feminismus, die dies als absurd ablehnen, die gerade auf Kampf gegen das männliche bzw. die Männer setzen; das würde man dann allerdings eher unter dem Begriff Yang fassen.

 

3) Holismus (Ganzheit von Yin und Yang)

Fokussiert sich auf die Ganzheit von Yin und Yang, das Gleichgewicht von Yin und Yang, andere Komponenten werden (weitgehend) ignoriert oder jedenfalls als weniger wichtig eingeschätzt.

So wird der Holismus behaupten, dass in der Welt ein Gleichgewicht von Yin und Yang herrscht, oder doch ein Ausgleich in der Zeit. Es könnte konkret z. B. ein Gleichgewicht von Aggression und Liebe sein, von Anziehung und Abstoßung.

 

4) Taoismus (Tao)

Verwandte Begriffe sind Monismus oder Spiritualismus. Der Taoismus fokussiert sich auf das Tao, die trans-polare Einheit hinter den Polen Yin und Yang, andere Komponenten werden (weitgehend) ignoriert oder jedenfalls als weniger wichtig eingeschätzt. Das Tao lässt sich nach der klassischen Lehre nicht mit Begriffen definieren; um dennoch ein Beispiel zu geben, könnte man z. B. sagen: das Tao ist der Urgrund von den Polen Liebe und Hass, es ist die Unter-Ebene (oder Über-Ebene), auf der Liebe und Hass noch nicht ausdifferenziert sind, vielleicht eine neutrale Energie.

 

Dagegen ist der Meta-Holismus nicht ideologisch auf ein Prinzip (z. B. das Yang-Prinzip) festgelegt, sondern er ist flexibel, besitzt alle Freiheitsgrade. Er differenziert nach Bedingungen und Situationen. Wenn man die ganze Welt betrachtet, so spielen meta-ganzheitlich alle 4 Aspekte eine wichtige Rolle.

 

Nehmen wir als Beispiel die Natur: Auf der einen Seite gibt es in der Natur den Kampf, den Gen-Egoismus, das Fressen- oder Gefressenwerden – die sind eindeutig dem Yang zuzuordnen. Wir finden in der Natur aber Altruismus, Kooperation und Symbiose, das sind Yin-Eigenschaften.

In der Natur herrscht vielfach ein Gleichgewicht – insofern es nicht vom Menschen zerstört wird. In Ökosystemen herrscht ein Ausgleich von Yin- und Yang-Strukturen. Wenn es in der Natur ausschließlich Kampf und Aggression gäbe, wären diese Systeme nicht stabil; es käme ja nicht einmal zu Paarung und Fortpflanzung. Andererseits wäre die Natur auch nicht überlebensfähig, wenn nicht durch die „Nahrungskette“ alle Lebewesen sich ernähren könnten und auch eine Überbevölkerung vermieden würde.

Das Tao in der Natur aufzuzeigen, ist schwierig; aber man kann sich vorstellen, dass ganz am Anfang der Zeit, vor der Entstehung des Kosmos, vor dem Urknall nur das Tao, das „Nichts“ existierte; und die Welt sich verstehen lässt als eine Entstehung aus dem Nichts oder auch als eine Schöpfung aus dem Nichts.

 

Denker, Wissenschaftler, die an ein bestimmtes Prinzip glauben, werden in der Natur z. B. ausschließlich einen Kampf ums Dasein (Yang) oder ausschließlich ein kooperatives Zusammenleben (Yin) sehen. Sie interpretieren dann aber die Natur einseitig nach ihren weltanschaulichen Vorlieben, denen vermutlich eigene Charaktereigenschaften zugrunde liegen. Der eher aggressive Mensch wird auch die Natur als rein aggressiv definieren, er hat den Wunsch, die Natur als Kriegsschauplatz zu deuten, projiziert vielleicht eigene Aggressivität auf die Natur. Das Umgekehrte mag für einen eher sanftmütigen, harmoniebedürftigen Forscher gelten. – Dagegen vermeidet der Meta-Holismus solche weltanschaulich-irrationalen Einengungen, sieht das Zusammenwirken von Yin, Yang, Ganzheit und Einheit (Tao).

 

 

2-2 Polaritätsheorie: Meta-Ganzheit in der Bewertung von Systemen

 

Die folgenden Aussagen gelten nur für lebende und intelligente Systeme, also für intelligente Lebewesen.

Die Bewertung von Systemen, nach ihrem Evolutionsgrad, ihrer Funktionalität, ihrer Reife, ggf. auch nach ihrer Moralität ist der Schwerpunkt der Polaritätstheorie. In meinem Ansatz spielt der Grad der Meta-Ganzheit hier eine entscheidende Rolle.

Aus dieser Bewertung lassen sich Forderungen oder Handlungsanweisungen ableiten: Man kann z. B. von einem Menschen, der sich unangemessen aggressiv (Yang-orientiert) verhält, fordern, dass er mehr defensive, kooperative Verhaltensweisen entwickelt (Yin-orientiert), also seine „weibliche Seite“ entfaltet, um so ganzheitlicher, reifer, funktionsfähiger und auch moralischer zu werden.

 

Auch hier kann man wieder 4 Richtungen bzw. Theorien unterscheiden, die ich hier aber teilweise anders benenne als oben.

 

1) Maskulinismus (Yang)

Bewertet das Yang, das männliche Prinzip, als anderen Komponenten überlegen, als wertvoller, weiter entwickelt, gesünder.

Das weibliche Prinzip Yin, die Ganzheit von Yin und Yang oder die transpolare, spirituelle Einheit Tao werden somit als unterlegen angesehen.

Von daher wird gefordert, sich weitgehend am Yang zu orientieren (als Handlungs-Prinzip), das Yang immer weiter zu verstärken (Optimierungs-Prinzip) bzw. sich immer weiter in Richtung Yang zu entwickeln (Evolutions-Prinzip).

Konkret wird z. B. eine Leistungs- und Wettbewerbsgesellschaft gefordert, in der dem Starken, der sich durchsetzt, alle Rechte zugesprochen werden („das Recht des Stärkeren“).

Das mündet im Extrem in einem Sozialdarwinismus, nach dem in der menschlichen Gesellschaft nur der Starke ein Existenzrecht besitzt und der Schwache zu Recht untergeht.

Oft ist der Maskulinismus mit einem Rationalismus verbunden, weil nur dem Mann Rationalität zugesprochen, der Frau dagegen abgesprochen wird, sie wird eher als irrationales, unvernünftiges, emotionales oder gar triebhaftes Wesen verstanden. Dies ist  verbunden mit der Forderung, so rational, ökonomisch, zweckorientiert zu handeln wie möglich. Wobei (Zweck-)Rationalität zu Unrecht mit Verstand oder Vernunft gleichgesetzt wird.

 

2) Feminismus (Yin)

Fokussiert sich auf das Yin, das weibliche Prinzip, als anderen Komponenten überlegen, als wertvoller, weiter entwickelt, gesünder.

Das männliche Prinzip Yang, die Ganzheit von Yin und Yang oder die transpolare, spirituelle Einheit Tao werden somit als unterlegen, als weniger wertvoll angesehen oder gar nicht thematisiert.

Z. B. wird der Begriff „sanft“ als typisch weiblich verstanden und entsprechende Forderungen aufgestellt, nach einer sanften Gesellschaft, einer sanften Politik, einer sanften Medizin usw.

Wie schon gesagt, es gibt andere Richtungen des Feminismus, die diese Sanftheits-Orientierung als absurd ablehnen, die gerade auf Kampf gegen das Männliche bzw. die Männer setzen; das würde man dann allerdings eher unter dem Begriff Yang fassen.

 

3) Holismus (Ganzheit von Yin und Yang)

Fokussiert sich auf die Ganzheit von Yin und Yang, als anderen Komponenten überlegen, als wertvoller, weiter entwickelt, gesünder.

Das männliche Prinzip Yang, das weibliche Prinzip Yin, aber auch die transpolare, spirituelle Einheit Tao werden somit als unterlegen, als weniger wertvoll, nämlich als einseitig, als defizitär angesehen oder gar nicht thematisiert.

Die Forderung nach mehr Ganzheitlichkeit spielt seit Jahren eine große Rolle in unserer Gesellschaft: alles soll ganzheitlich(er) sein, die Politik, die Gesellschaft, das einzelne Individuum, die Wissenschaft, die Medizin usw.

Nicht immer, aber doch häufig wird dabei die Polaritätstheorie mit Yin und Yang bemüht.

Es gibt dabei verschiedene Spielarten. Der Androgynismus z. B. fordert vom einzelnen Menschen, seine männlichen und weiblichen Eigenschaften gleichermaßen und gleichberechtig zu verwirklichen, unabhängig davon, welches biologische Geschlecht er besitzt. Der Equilibrismus fordert in der Politik eine ganzheitliche Sicht, einen dritten Weg, zwischen Kapitalismus und Kommunismus.

 

4) Taoismus (Einheit von Yin und Yang)

Verwandte Begriffe sind wie gesagt Monismus oder Spiritualismus. Der Taoismus fokussiert sich auf das Tao, die trans-polare Einheit hinter den Polen Yin und Yang, als anderen Komponenten überlegen, als wertvoller, weiter entwickelt, gesünder.

Diese anderen Komponenten werden somit als unterlegen, als weniger wertvoll, nämlich als einseitig, als defizitär angesehen oder gar nicht thematisiert.

Die Welt im dynamischen Wechselspiel von Yin und Yang gilt nur als Schein, als oberflächliches, zufälliges Geschehen. Die wahre Realität liegt dahinter, sie ist ewig bzw. zeitlos, unveränderbar, unbestimmt. (Man könnte hier auch die Metaphysik von Aristoteles mit der Unterscheidung von Potenz und Akt heranziehen.)

Forderungen an den Menschen aus Sicht des Taoismus könnten lauten: sich auf sein Innerstes einzustellen, die Welt nur als Zeuge zu beobachten, aber so wenig wie möglich zu handeln oder gar in Aktivismus zu verfallen, wie ein „Mann ohne Eigenschaften“ zu leben.

Aber da das Tao sich prinzipiell Festlegungen entzieht, ist es natürlich ein Problem, irgendwelche konkreten Forderungen daraus abzuleiten.

 

Die Theorie oder Lehre der Meta-Ganzheit, der Meta-Holismus, vermeidet jede Einseitigkeit in der Bewertung von Polaritäten. Für den Meta-Holismus haben das Yang, das Yin, die Ganzheit von Yin und Yang sowie die Transzendierung von Yin und Yang prinzipiell den gleichen Wert. Und genau das umfasst ja der Begriff der Meta-Ganzheit.

Es gibt Zeiten, da sind vor allem Yin-Qualitäten notwendig wie Zusammenschluss, Versöhnung, Freundlichkeit oder im Kognitiven die Intuition. Es gibt Zeiten, da brauchen wir vor allem Yang-Qualitäten wie Durchsetzung, Trennung, notfalls Kampf und im Kognitiven die (Zweck-)Rationalität. Es gibt wiederum andere Zeiten, da hilf nur das Gleichgewicht von „weiblichen“ und „männlichen“ Eigenschaften bzw. Verhaltensweisen weiter; und es kann Zeiten geben, da geht es vor allem darum, z. B. in der Meditation, im Rausch oder auch in der Liebe die Gegensätzlichkeit von Yin und Yang zu überschreiten und die Einheit des Seins, das Tao, zu erfahren.

 

Bilanz:

Ich habe in verschiedenen Punkten gezeigt, dass die Meta-Ganzheit ein wirklich integraler, holistischer Ansatz ist, der den Begriff „Ganzheitlichkeit“ verdient, während der von anderen Theorien nur versprochen, aber nicht eingelöst wird.

Dabei wurde die Meta-Ganzheit für die beiden wichtigsten Ganzheits-Theorien definiert, nämlich die System-Theorie und die Polaritäts-Theorie.

Und es wurde einmal die Erfassung von Ganzheitlichkeit thematisiert, womit zugleich eine Bewertung einer wissenschaftlichen Theorie ermöglicht wird; zum anderen ging es um die Bewertung von Systemen nach ihrer Ganzheitlichkeit, woraus sich auch Handlungsanweisungen ableiten lassen. Es ist geplant, den Text zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu überarbeiten.

 

In den nächsten Punkten geht es um fiktive Diskussionen bzw. ein Interview zum Thema Meta-Ganzheit, aus meinem Buch „New Age“.


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3  Fiktive Diskussionen und ein Interview

In den folgenden Punkten bringe ich drei Texte, die das Konzept der Meta-Ganzheit besser veranschaulichen sollen.  Ich habe diese Diskussionen mit Modifikationen übernommen aus meinem Buch „New Age“.

Ich beginne mit einer Diskussion zum Thema: Meta-Ganzheit und Polarität.

Den Begriff „Holon“ habe ich von Arthur Koestler übernommen; er lässt
sich prinzipiell auf jedes System, jedes Ding, jede „Sub-Ganzheit“ anwenden

Der Begriff bezieht sich auf die Relativität von Ganzheit und Teil: Ein
Holon ist seinen Teilen gegenüber ein Ganzes, aber selbst Teil einer größe-
ren Ganzheit; so wie z. B. ein Organ eine Ganzheit von Zellen darstellt und
andererseits nur einen Teil des Organismus ausmacht. Ich habe den Begriff

 „Holon“ im Sinne der Meta-Ganzheit zu „Meta-Holon“ erweitert.

 

 

3-1 Diskussion: Polaritätstheorie und Meta-Ganzheit

An der Diskussion beteiligen sich:

            1. Herr Yang, Vertreter des Mechanismus

            2. drei New Ager

                   - Frau Yin, eine Anhängerin der Sanftheit

                        - Yinang, ein androgynes Wesen, wirbt für die Ganzheit

                        - Tao, geschlechtslos, repräsentiert das TAO

            3. Meta-Holon, er-sie-es spricht für die Meta-Ganzheit

 

Frau Yin: Wenn ich einmal anfangen darf, ich meine die Welt ist
voll Liebe und Harmonie, das weibliche Yin durchflie
ßt Mensch
und Natur in weichen Wellen — ich fühle das intuitiv.

Herr Yang: Das ist doch Unsinn. Jede nüchterne und rationale
Analyse der Wirklichkeit zeigt uns, dass Konkurrenz und Kampf
das Leben beherrschen. Das männliche Yang ist der Herr der
Welt.

 

Frau Yin: Lieber Herr Yang, Sie müssen die Welt nur mit sanften
Augen sehen, dann entdecken Sie auch die — manchmal verborge-
ne — Sanftheit. Ich jedenfalls kann in meinem Inneren die liebe-
vollen Schwingungen spüren.

 

Yinang: Vielleicht darf ich zwischen Ihnen vermitteln. Ihre beiden
Standpunkte m
üssen sich nicht widersprechen, sondern lassen sich
ergänzen. Jeder von Ihnen sieht nur einen Pol, Sanftheit oder
Härte, aber erst beide Pole zusammen machen das Ganze aus. In
der Natur finden wir immer einen Ausgleich zwischen den Gegen-
sätzen, zwischen aktiv und passiv, Kampf und Verbindung usw.,
allgemein zwischen Yin und Yang. Und erst dieses Gleichgewicht
bedeutet echte Harmonie, nicht das isolierte Yin. Der Mensch
aber kann seinen Yin-Yang-Ausgleich verletzen und gerät so in
die Disharmonie. — Meta-Holon, Sie stimmen doch mit mir über-
ein?

 

Meta-Holon: Nur teilweise. Sie haben recht, wir beobachten viel-
fach in der Natur, dass
Gegensätze sich ergänzen, z. B. Tag und
Nacht. Aber dies gilt nicht immer und schon gar nicht notwendig.
Es kann auch nur ein Pol realisiert sein, z. B. sind bestimmte Or-
te, Länder und Planeten immer heiß, andere immer kalt. Keines-
falls ist stets ein exakter 50:50-Ausgleich gegeben. Und auch der
Mensch muss nicht unbedingt im völligen Yin-Yang-Gleichgewicht
leben, um in Harmonie zu sein. Mein Ansatz der Meta-Ganzheit
umfasst sowohl die Ausprägung nur eines Pols, sei es Yin oder
Yang, als auch die Verbindung beider Pole; alles ist möglich, und
alles kann angemessen sein, je nach den Umständen. Übrigens:
Für mich ist ein Pol-Ausgleich sowohl die Mitte zwischen Yin und
Yang wie auch ein Zyklus, ein Wechsel von ihnen — während Ihr
Ganzheitler Euch doch darüber streitet.

 

Yinang (leise): Hhmm, aber wir sind uns einig, dass wir uns nicht
einig sind.

 

Tao: Sie alle sehen nicht die höchste Ganzheit. Die ist weder Yin
noch Yang, auch keine Verbindung von Yin und Yang und auch
nicht die Gesamtverknüpfung dieser drei Möglichkeiten als Me-

ta-Ganzheit, sondern die Einheit. Die Einheit, die den Gegensät-
zen Yin und Yang zugrunde liegt, in der noch keine Aufspaltung
in Pole stattgefunden hat — das TAO.

 

Herr Yang: Also jetzt wird's metaphysisch, Ihre merkwürdige Ein-
heit erlaubt doch keinen rationalen Zugang mehr.

 

Frau Yin: Ich fühle, diese Einheit ist doch die Liebe.

Meta-Holon: Herr Yang, es stimmt, diese vor-polare Einheit ist
mit unserem diskursiven, logischen Verstand nicht zu erfassen -
das heißt aber noch nicht, dass sie nicht existiert. (Tao nickt zu-
stimmend.) Und zu Ihnen, Frau Yin: Diese Einheit kann nicht die
Liebe sein, denn sie soll ja auch dem Gegensatz von Liebe und
Haß zugrunde liegen. (Tao nickt stärker.) Aber, Tao, aus Sicht
der Meta-Ganzheit ist auch Ihre Auffassung nur eine Möglichkeit.
(Tao nickt nicht mehr.) Wir können nicht sicher wissen, ob es eine
solche Ureinheit gibt oder nicht. Jedenfalls aber ist es nicht be-
rechtigt und sinnvoll, sie als einzig wahre Wirklichkeit hinzustel-
len. (Tao schüttelt den Kopf.) Jede Form, das Yang, das Yin, das
Yin + Yang und das TAO - sie alle sind Elemente, Spielarten der
Meta-Ganzheit, diese umfasst alle vier.

 

 

3-2 Diskussion: Systemtheorie und Meta-Ganzheit

An unserer zweiten Talk-Runde nehmen teil:

 

1. ein Atomist, als Vertreter des Mechanismus

2. drei New Ager, Systemdenker

   (die Unterschiede zwischen alter
   und neuer Systemtheorie bleiben unber
ücksichtigt):

- ein Strukturalist

- ein Ökologist

- ein Emergentist

3.  Meta-Holon (diesen Meta-Holisten müssen wir nicht auswech-
seln)

 Atomist: Meine Position - als die in der Wissenschaft am meisten
verbreitete - darf ich eigentlich als bekannt voraussetzen. Wenn
ich sie aber noch einmal zusammenfassen soll: Ein System wird
durch seine Teile, seine Elemente, bestimmt, z. B. eine Familie
durch die Eltern und Kinder oder auch andere Familienmitglie-
der.

 

Strukturalist: Ihr Standpunkt ist nicht mehr haltbar. Wir wissen
doch heute, dass es die Wechselwirkungen und Wechselbeziehun-
gen zwischen den Teilen sind, d. h. die Struktur, die das Gesamt-
system definiert. In einer Familie ist das z. B. die Zuneigung oder
Abneigung zwischen den Angehörigen.

 

Ökologist: Ihr Standpunkt ist nicht mehr haltbar. Es hat sich ge-
zeigt, dass der Bezug zur Umwelt das wichtigste für ein System ist.

So bestimmt z. B. auch bei einer Familie der Kontakt nach außen,
vor allem zu anderen Menschen, Gruppen und staatlichen Institu-
tionen, letztlich das gesamte Familiensystem.

 

Emergentist: Ihr Standpunkt ist nicht mehr haltbar. Denn was ein
System primär ausmacht, ist seine Emergenz. Dass es eine neue,
höhere Einheit bildet, die Elemente, Struktur und Umweltbezie-
hungen prägt. So wie z. B. das Familienganze die Mitglieder und
ihre Innen- wie Außenkontakte prägt.

 

Meta-Holon: Ihre Standpunkte sind alle haltbar, aber auch alle
einseitig. Aus Sicht der Meta-Ganzheit sind Elemente, Struktur,
Umweltbeziehungen und Einheit wichtig — ja, sie können nicht
einmal völlig voneinander abgegrenzt werden. Z. B. verstehen wir
eine Familie nur, wenn wir die Mitglieder, den Innen- und Außen-
kontakt und die Einheit berücksichtigen.

 

Atomist: Aber die Wissenschaft hat doch bisher mit der Zerlegung
eines Ganzen in seine Teile sehr großen Erfolg gehabt. Wenn man
weiß, wie sich die Elemente verhalten, kann man berechnen, wie
sich das Ganze verhält. Dass das bisher nicht immer funktioniert,
liegt nur daran, dass wir noch nicht genug über die Einzelteile wis-
sen.

 

Meta-Holon: Ich behaupte nicht, für jedes System spielten Ele-
mente, Innen- und Umweltbeziehungen sowie Emergenz eine
gleich große Rolle. Es dürfte - einfache, weitgehend geschlosse-
ne - Systeme geben, die sich fast vollständig durch das Verhalten
ihrer Elemente erklären lassen, aber das betrifft eben nicht alle
Systeme und insbesondere nicht die komplexeren.

 

Strukturalist: In vielen Wissenschaften wird doch heute das Ge-
flecht der Wechselbeziehungen, das Feld herausgestellt. Vernach-
lässigen Sie das nicht zu sehr? Stimmen Sie mir wenigstens zu, dass
die Strukturen den wichtigsten Einfluß haben, wenn auch nicht
den einzigen?

 

Meta-Holon: Ich glaube, Sie vernachlässigen selbst die Wechsel-
beziehungen. Zwar berücksichtigen Sie die Wechselbeziehungen
zwischen den Elementen, die Struktur; aber die soll dann - linear
- z. B. den Umweltkontakt steuern, d. h. Sie ignorieren dessen
Rückwirkung bzw. die Wechselwirkung zwischen Struktur und
Umweltkontakt. Sie müssen eine Stufe höher steigen und die
Wechselwirkungen zwischen den Systemkomponenten sehen, zwi-
schen Elementen, Struktur, Umweltbeziehungen und Einheit. Zu
jedem System gibt es quasi ein Meta-System, und geht es auf der
Systemebene etwa um das Verhältnis von Elementen, also um die
Struktur, dann geht es auf der Meta-Ebene um die Meta-Struktur,
z. B. um das Verhältnis von Elementen und Einheit oder von Ele-
menten und Struktur etc.

 

Emergentist: Die emergente Ganzheit hat sich als sinnvolles Kon-
zept einer
übergeordneten Einheit des Systems erwiesen. Jetzt set-

zen Sie mir noch ihre Meta-Ganzheit drüber. Diese ist aber in
Wahrheit nicht höher, sondern niedriger als die emergente Ganz-
heit, besonders, weil Sie sogar die Elemente mit einbeziehen. Da-
mit nähern Sie sich wieder dem Atomismus oder Reduktionis-
mus.

 

Meta-Holon: Das sehe ich anders. Im Grunde sind Sie alle Re-
duktionisten. (Ungläubiges Kopfschütteln der Systemdenker.) Sie
alle führen die komplexe Wirklichkeit auf ein Prinzip zurück: der
Atomist auf die Elemente, die anderen auf die Strukturen, Um-
weltbeziehungen oder eben die Ganzheit. Auch wenn man alles
auf die Ganzheit reduziert, ist das ein Reduktionismus. Ein Re-
duktionismus von oben anstatt von unten, von den Elementen her,
wie ihn unser Atomist betreibt.

 

Emergentist: Müssen Sie eigentlich immer recht behalten? (Beifäl-
liges Nicken aller anderen.)

 

Meta-Holon: Ich behaupte gar nicht, dass ich unbedingt recht ha-
be. Mein Standpunkt schließt auch ein, dass jeder von Ihnen im
Recht ist. Ich halte nur meine Position für wahrscheinlicher, schon
weil sie ja letztlich alle Ihre Auffassungen umfasst, aber miteinan-
der ausgleicht. Deshalb kann ich es auch nur begrüßen, wenn Sie
sich gegen mich zusammenschließen - denn gemeinsam vertreten
Sie dann fast die Meta-Ganzheit.

 

 

3-3 Interview: Gesellschaft und Meta-Ganzheit

 

Ein Interview mit dem fiktiven Vertreter der Meta-Ganheit,

„Meta-Holon“.

 

Interviewer: Erklären Sie doch noch mal kurz, worin sich die Me-
ta-Ganzheit von der Ganzheit der New Ager unterscheidet.

 

Meta-Holon: Die Meta-Ganzheit ist flexibler, dynamischer, offe-
ner als die alte »Mini-Ganzheit« (oder »Midi-Ganzheit«). Sie um-
fasst mehr Möglichkeiten und setzt sie in Verbindung, ohne sie
aber zwanghaft zu einer Geschlossenheit zusammenzukleistern.
Vergleichen wir die einfache Ganzheit mit einem festen Stand-
Punkt, dann bedeutet die Meta-Ganzheit die Variation von Stand-
Bein und Spiel-Bein, ein Ausgleich zwischen »Stand-Halten« und
»Sich-gehen-Lassen«; sie ist der Wechselschritt gegenüber dem
Gleichschritt, der freie, doch nicht chaotische Tanz anstatt einem
Auf-der-Stelle-Treten.

 

Interviewer: Können Sie veranschaulichen, was das für die
menschliche Gesellschaft bedeutet?

 

Meta-Holon: Aus Sicht des Meta-Holismus kann man nicht sche-
matisch festlegen, es müsste immer eine Mitte zwischen den Ge-
gensätzen erreicht werden, also z. B. dass alle Menschen in glei-
chem Ausmaß Yin-Sanftheit und Yang-Härte besitzen stillten.
Denn neben der goldenen Mitte gibt es auch die Mittel-Mäßigkeit,
der mittlere Ausgleich der Pole kann fruchtbar, aber auch steril
sein.

 

Interviewer: Sollen sich stattdessen die Pole jeweils zyklisch aus-
gleichen, indem wir z. B. einen Wechsel von emotionalen und ra-
tionalen Phasen ansteuern?

 

Meta-Holon: Die höhere Ganzheit besteht in einer Verbindung
von Mitte und Zyklus: dass wir zwar in einer Mitte ruhen, von da
aus aber mal stärker nach Yin und mal stärker nach Yang »pen-
deln«, ohne dabei normalerweise bis zum Extrem, bis zum Wen-
depunkt »auszuschlagen«. Warum sollen wir uns immer wieder
vom knallharten Kämpfer bis zur suprasanften Fee und zurück
entwickeln?

 

Interviewer: Aber ist eine solche Verbindung von Mitte und Zy-
klus letztlich nicht auch noch schematisch?

 

Meta-Holon: Sicher darf man auch diese Verbindung keiner star-
ren Regel unterwerfen. So wie Yin und Yang komplementär sind,
so sind — auf einer höheren Ebene — auch die Yin-Yang-Mitte
und der Yin-Yang-Zyklus komplementär. Und wir müssen — me-
ga-polar — zwischen ihnen vermitteln, also ohne Schematismus.

 

Interviewer: Ein Beispiel?

 

Meta-Holon: Es dürfte richtig sein, jetzt erst einmal einseitig das
Yin (bzw. bestimmte Seiten von ihm) zu stärken, damit es über-
haupt die Kraft findet, sich gegen die Yang-Dominanz zu behaup-

ten. Wir brauchten eine Yin-Phase, damit eine Yin-Yang-Mitte
überhaupt erst möglich wird. Und da Frauen eben stärker Yin-ge-
prägt sind, könnte das konkret bedeuten, dass sie weit über Durch-
schnitt gesellschaftlichen Einfluss bzw. die politischen Pöstchen er-
halten — für eine Zeitlang; insofern halte ich z. B. die Frauen-
mehrheit im neuen rot-grünen Berliner Senat für einen Schritt in
die richtige Richtung. Irgendwann — und nicht zu spät — müsste
allerdings dem Yin wieder gegengesteuert werden, sonst dominier-
te es eines Tages zu stark, und wir gerieten von der »Mannokra-
tie« in die »Mammokratie«.

 

Interviewer: Ist auf Dauer also immer ein Pol-Gleichgewicht das
Ziel?

 

Meta-Holon: Grundsätzlich halte ich aus Meta-ganzheitlicher
Sicht schon eine Ausgeglichenheit, Ausgewogenheit für wün-
schenswert, aber keineswegs in jedem Fall. Es kann auch berech-
tigt und realistisch sein, dauerhaft nur einen Pol anzustreben. Ich
sehe es als gefährlichen Irrglauben, wenn Peter Orban z. B. ver-
kündet: »Zum Frieden gehört notwendigerweise der Krieg.« Auch
nach Dethlefsen und Dahlke muss es immer ein Gleichgewicht von
Krieg und Frieden geben; und wenn wir etwas für den Frieden
tun, stärken wir damit gleichzeitig den Krieg, denn sie behaupten:
»Wenn wir versuchen, einseitig einen Pol zu nähren, dann wächst
ungesehen der Gegenpol mit.«


Interviewer: Wie erklärt sich ein solcher Glaube?


Meta-Holon: M. E. rührt er aus einer Vermischung von Begriffs-
und Realitätsebene. Bzw. aus einem starren Ganzheitsdenken,
wie ich es mit der Meta-Ganzheit überwinden möchte. Begrifflich
gehört zum Frieden notwendigerweise der Krieg. Aber in der Reali-
tät ist durchaus Frieden ohne Krieg möglich. Und wenn sich der
Krieg vielleicht auch nicht völlig überwinden lät, so können wir
doch durch Entspannungspolitik die Chancen für den Frieden ver-
bessern. Dabei müssen wir als erstes die Ideologie aufgeben, beide
Pole eines Gegensatzes - auch Krieg und Frieden - seien stets
gleichwertig.

 

Interviewer: Aber können wir Menschen denn überhaupt den
Zyklus von Yin-Yang beeinflussen? Bestimmen den nicht höhere
Gesetze?

 

Meta-Holon: Viele New Ager sehen nicht die Menschheit als Sub-
jekt der Geschichte, sondern Yin-Yang, den Wassermann, die Sy-
stemdynamik, einen hegelschen Weltgeist o. ä. Indem die
New-Age-Bewegung - wie Schorsch kritisiert - »den Menschen
naturalisiert, numinösen Kräften und sich zwangsläufig-zwanghaft
vollziehenden Entwicklungen unterwirft, reduziert sie ihn vom
handelnden zum sich verhaltenden Wesen«. Meta-ganzheitlich gilt
es, die Geschichte als komplexes Geschehen zu begreifen, das von
einer Vielzahl von Kräften - multikausal - gelenkt wird. Insofern

läßt sie sich nicht mit einfachen Gesetzen beschreiben; auf Grund
ihrer hohen Komplexität ist sie letztlich eine Singularität, etwas
Einmaliges, das eine gesetzmäßige, also allgemeine Erfassung
überhaupt nur begrenzt zulässt. Somit gibt es keine eindeutigen
Geschichtsepochen, auch kein Wassermannzeitalter.

 

Interviewer: Myrell, Schmandt und Voigt haben geschrieben:
».. . je genauer man eine Geschichtsepoche kennt und untersucht,
desto mehr verschwimmt dieser wunderschöne große Bogen, der
sich über ein ganzes Zeitalter wölbt, wie ein Regenbogen, der nur
unter bestimmten Bedingungen und von einem bestimmten Stand-
punkt aus zu sehen ist, der aber an sich nicht zur Landschaft ge-
hört. Es ist leicht, in der Gegenwart Entwicklungen und Entfal-
tungen, Höhepunkte, Abstiege und Zusammenbrüche zu ent-
decken, alles nebeneinander, alles am gleichen Tag.« — Dem
müssten Sie doch zustimmen?

 

Meta-Holon: Weitgehend - aber es gilt, die übergeordnete Ganz-
heit zu sehen. Wir können schon gewisse Geschichtsregularitäten
und -epochen auffinden, aber sie werden relativiert durch das
Handeln individueller Menschen. Und dem müssen wir als einzel-
ne wie als Gesellschaft Rechnung tragen. D. h., nicht die Hände in
den Schoß legen, weil der Kosmos alles schon zum Besten richten
wird, ebenso keine fatalistische Anpassung an »Schicksalsschlä-
ge«, weil man alles ebenso nehmen müsse, wie es komme; son-
dern ein aktives Eingreifen in die Geschichte, doch auch nicht in
dem Machbarkeitswahn, wir seien keinerlei Gesetzmäßigkeiten
unterworfen. Eine Haltung der Mitte, aber keine statische, son-
dern eine dynamische, immer wieder neu zu bestimmende Mitte.

Interviewer: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

 

 

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