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05.01.16   Logik der Dialektik    

1. These, 2, Antithese, 3. Synthese – dieser Dreischritt von Hegel ist weltberühmt und gilt als die vielleicht beste Kurzdefinition der Dialektik.

Die Thematik setze ich hier als bekannt voraus und verzichte daher auf Erläuterungen oder Beispiele.
Ich will hier an verschiedenen Modellen prüfen, ob sich diese drei Schritte rein logisch bestimmen lassen.
Da sich wie gesagt die gängigen logischen Symbole nicht mit dem Homepage Creator darstellen lassen, muss ich mir mit Ersatzsymbolen behelfen.

nicht: –
und: &
oder: v
wenn – dann: -->
…………………………..

These        A

Antithese    –A

Synthese    A & –A

Das ist ein logischer Widerspruch und somit keine sinnvolle Lösung.
……………………………

These        A

Antithese    –A

Synthese    A v –A

Das ist eine Tautologie und somit auch keine sinnvolle Lösung, denn eine Tautologie enthält keine Information.
………………………………

These        A --> B

Antithese    A --> C

Synthese    A --> B & C

        Es gilt: (A --> B) & (A --> C) --> (A --> B & C)
        Dies ist ein logischer Schluss, es gilt sogar die logische Äquivalenz.
Das hieße, dass die Synthese logisch aus der Konjunktion von These  und Antithese folgt.
Eine Synthese soll aber etwas Neues einbringen und nicht aus These und Synthese logisch abzuleiten sein.
Außerdem sind A --> B und A --> C nicht unbedingt antithetisch.
Daher finde ich diese Lösung auch nicht überzeugend.
……………………………….

These        A    entsprechend quantitativ p(A) = 1

Antithese    –A    entsprechend quantitativ p(A) = 0

Synthese    p(A) = 0,5

        In diesem Fall bedeutet die Synthese genau die (quantitative) Mitte zwischen These und Antithese.
Dies wäre eine denkbare Lösung. Allerdings reicht dafür die normale Logik nicht aus, sondern man benötigt eine quantitative Logik, wie ich sie z. B. mit meiner Integralen Logik vorgelegt habe.
………………………………..

These        A        entsprechend quantitativ p(A) = 1

Antithese    –A        entsprechend quantitativ p(A) = 0

Synthese    0 < p(A) = 1

In diesem Fall bedeutet die Synthese nicht genau die (quantitative) Mitte zwischen These und Antithese. Sondern das Intervall aller Werte zwischen These (p = 1) und Antithese (p = 0).
Der Vorteil dieser Lösung ist: Die Synthese wird nicht genau auf einen Wert festgelegt, sondern sie beinhaltet einen Spielraum von möglichen Werten. Allerdings ist diese Lösung natürlich auch weniger eindeutig.
In jedem Fall gilt auch hier: Dafür reicht dafür die normale Logik nicht aus, sondern man benötigt eine quantitative Logik, wie die Integrale Logik.


Erste Bilanz:
1. Ich habe hier fünf Modelle geprüft zur Formalisierung vom Dreischritt These – Antithese – Synthese.
2. Ein optimales Modell wurde nicht gefunden, hier wären weitere Untersuchungen vorzunehmen.
3. Für die beiden besten Modelle reichte die übliche (Aussagen-)Logik nicht aus, sondern man benötigte eine quantitative Logik wie z. B. die von mir entwickelte Integrale Logik.
4. Generell kann man bezweifeln, ob die Logik ausreicht, diesen Dreischritt darzustellen. Die Synthese muss sich einerseits aus der These und Antithese ableiten, andererseits diese aber auch überschreiten, im Sine einer Emergenz. Es ist fraglich, ob die Logik das leisten kann.
 

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30.12.15  Größe und Erbärmlichkeit des Menschen

Der Mensch: er ist intelligent und kreativ, mit seiner Technik hat er die Welt umgestaltet, er hat viele Wissenschaften entwickelt und darin beeindruckende Erkenntnisse gewonnen, er ist  klug und vernünftig, mutig und wissbegierig, aber auch hilfsbereit, barmherzig, er ist fähig zu intensiver Liebe, sogar zur Opferung seines eignen Lebens für einen Mitmenschen oder ein höheres Ziel, er ist auf dem Mond gelandet und hat mit unbemannten Raumschiffen das Sonnensystem erforscht, der Mensch ist auch künstlerisch begabt, er hat großartige Bilder, Skulpturen, Gebäude, aber auch literarische Texte oder Musikstücke geschaffen.

Andererseits ist der Mensch gewalttätig, grausam wie kein Tier. Er missbraucht Kinder, vergewaltigt Frauen, führt Kriege, begeht Verbrechen. Für eine Ideologie, Religion oder Weltanschauung, aber auch für Geld ist er zu jeder Untat bereit. Er foltert andere Menschen auf die verschiedensten, „unmenschlichen“ Weisen – das ist vielleicht das schlimmste Verbrechen, das es überhaupt gibt. Neben dieser Aggressivität sind vor allem auch die Eitelkeit, Machtgier, Hybris, Verlogenheit und Scheinheiligkeit des Menschen abstoßend, manchmal auch lächerlich. Gerade in der Politik zeigt sich die Erbärmlichkeit des Menschen offensichtlich. Herrscher/innen sind bereit, für ihren persönlichen Machterhalt ganze Staaten und Völker ins Unglück zu stürzen. Der Mensch kann aber auch einfach unglaublich dumm, primitiv, töricht sein.

Sicher ist es nicht immer eindeutig, was man als Stärke und was man als Schwäche des Menschen ansieht: Opferbereitschaft mag für viele ein Tugend wert sein, für andere dagegen ein Torheit. Es geht also auch um subjektive Wertungen bzw. Werte. Aber das möchte ich nicht verfolgen, denn es geht mir hier um die Ambivalenz und Gegensätzlichkeit des Menschen, ja um seine Gespaltenheit oder gar Zerrissenheit.

Natürlich sind auch nicht alle Menschen über einen Leisten zu scheren. Es gibt Menschen, die in ihrem Leben überwiegend Gutes tun und/oder große Leistungen vollbringen; und andere Menschen, die weitgehend das Böse leben und/oder in ihrem Dasein fast nichts leisten. Aber letztlich ist kein Mensch nur grandios oder nur erbärmlich, in jedem Mensch ist beides angelegt. Und es ist die Frage, ob es in der Entscheidung des Menschen selbst liegt, ob er mehr grandios oder mehr elend lebt, oder ob dies vorrangig an den Erbanlagen oder aber den Umwelteinflüssen liegt.

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23.12.15  Warum lässt Gott das Leid zu?

Eine viel gestellte und oft beantwortete Frage. Immer wieder aktuell: Wo war Gott in Auschwitz? Oder heute: Wo ist Gott in Syrien?
Ich will der Frage einmal systematisch-logisch nachgehen (wenn auch nur knapp, dem Blog angemessen). Dabei folge ich zeitweilig dem Buch „Wenn guten Menschen Böses widerfährt“ von Harold S. Kushner.

Ausgangsthese: Ein allwissender, allmächtiger, allgütiger und allbestimmender Gott müsste das Leid, jedenfalls das ungerechte Leid verhindern oder jedenfalls aufheben. Warum tut er das nicht?

Wir können hier systematisch folgende Antworten unterscheiden:
1) Gott ist nicht (all)wissend
- er weiß gar nicht, wo überall Leid geschieht
2) Gott ist nicht (all)mächtig
- er hat nicht die Macht, alles Leid zu verhindern, er ist jedenfalls z. T. selbst hilflos
3) Gott ist nicht (all)gütig
- er hat kein Mitleid mit den Menschen, vielleicht will er sie sogar bestrafen
4) Gott ist nicht (all)bestimmend
- er will nicht in das Leben eingreifen, z. B. um den Menschen ihre Freiheit zu lassen

Der 4. Punkt ist der schwierigste: Gott kann durchaus gut sein und Mitgefühl mit den leidenden Menschen haben, aber es für wichtiger halten, ihnen ihre freie Entscheidung und Selbstständigkeit zu lassen.

Nun sind hier natürlich Kombinationen dieser Antworten möglich:

1) Gott ist allwissend: ja – nein
2) Gott ist allmächtig: ja – nein
3) Gott ist allgütig: ja – nein
4) Gott ist allbestimmend: ja – nein

Es gibt hier prinzipiell 2 hoch 4 = 16 Möglichkeiten.
Z. B. kann Gott allwissend und allmächtig, aber nicht allgütig und nicht allbestimmend sein (also zwei Nein).
Ein reicht aber ein Nein, um zu erklären, warum Gott Leid zulässt. Wenn er nicht allwissend ist – oder nicht allmächtig – oder nicht allgütig – oder nicht allbestimmend, das reicht als Erklärung, dass das Leid existiert.

Es gibt also 16 – 1 = 15 unterschiedliche Erklärungsmöglichkeiten, weil in 15 Fällen Gott nicht alle Eigenschaften besitzt.
Und es gibt nur eine (1) Möglichkeit, bei vier Ja, dass alle Eigenschaften erfüllt sind:
Nur wenn Gott allwissend, allmächtig, allgütig und allbestimmend ist (= vier Ja), lässt sich – in diesem Modell – nicht erklären, warum Gott Leid zulässt.

Für eine Erklärung des Leids müssen wir somit davon ausgehen, dass Gott nicht allwissend, allmächtig, allgütig und allbestimmend (nicht alles zusammen) ist. Allerdings fragt sich, ob ein Gott ohne diese vier Eigenschaften für uns überhaupt ein überzeugender Gott ist. Lassen wir hier die grundsätzliche Problematik einer Gottesvorstellung ganz außer Acht: Aber können wir uns z. B. einen Gott vorstellen, der in vielem hilflos ist? Oder der gar nicht mitbekommt, was auf der Welt so alles an Leid geschieht. Oder der auch böse Seiten hat, uns Menschen gar nicht unbedingt Gutes will. Oder der in einer Art Disengagement sagt, das geht mich gar nichts an, was sich da auf der Welt an Schlimmem abspielt, das müssen die Menschen alleine regeln.
So bleibt uns letztlich wohl nur zu sagen:„Die Wege des Herrn sind unergründlich …“

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19.12.15  Experten und Spezialisten

In unserer Welt nimmt das Expertentum oder Spezialistentum immer weiter zu. Obwohl viel über Ganzheit geredet wird, eine wirkliche Ganzheitssicht findet man immer seltener. Diese Zunahme der Spezialisten kann, ja muss man durchaus kritisch sehen. Sehr treffend drückt das folgender Spruch aus:
„Ein Spezialist ist jemand, der immer mehr über immer weniger weiß, bis er schließlich alles über nichts weiß.“

Ähnlich pointiert finde ich den folgenden Spruch:
„Fünf Minuten, bevor die Welt untergeht, wird man einen Experten im Radio sagen hören, dass kein Grund zur Beunruhigung besteht.“
Das besagt zweierlei, erstens, dass die sogenannten Experten oft keine Ahnung haben, und zweitens, dass sie sich von der Politik einspannen lassen, zu deren Sprachrohr oder Handlanger werden.
(Ich weiß nicht mehr, woher diese Sprüche stammen, ich kenne sie seit vielen Jahren.)
 

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15.12.15  WAHRHEITS-THEORIEN  

1 Adäquations-Theorie
2 Korrespondenz-Theorie
3 Kohärenz-Theorie
4 Konsens-Theorie
5 Evolutions-Theorie

Was ist Wahrheit? Generell geht es bei der Wahrheit um eine Repräsentation, ein Modell, einen Spiegel der Wirklichkeit. Diese Repräsentation kann sein:
 psychisch: ein Gedanke oder eine Wahr-nehmung
 sprachlich: z. B. ein Satz, eine Beschreibung
 wissenschaftlich: eine Theorie
 technisch: z. B. eine Computersimulation, ein Modell, ein Foto
 künstlerisch: ein Bild, eventuell auch ein Musikstück

Eine wahre Repräsentation ist eine Erkenntnis. Und wahr ist eine Repräsentation in einer ersten Bestimmung, wenn sie ein Abbild der Wirklichkeit, eine Widerspiegelung der Wirklichkeit ist. Heute nennt man oft nur noch sprachliche Einheiten, genauer Sätze wahr oder falsch.
Manchmal bezieht man andererseits den Begriff der Erkenntnis nur auf die Psyche, eine Erkenntnis ist dann ein wahrer Gedanke oder allgemein ein wahrer Bewussteinsinhalt.


1 Adäquations-Theorie
Die Adäquations-Theorie trifft das ursprüngliche, naive Verständnis von Wahrheit bzw. Erkenntnis. Danach ist eine Erkenntnis ein Abbild der Realität. Es besteht eine Übereinstimmung von Wirklichkeit und Repräsentation, sei es als Gedanke, als Satz o. ä.
   Motto: Wahrheit ist Widerspiegelung.
Dies ist die klassische Definition von Aristoteles: Adaequatio rei et intellectus, Übereinstimmung von „Ding“ und „Intellekt“. Aus unserer heutigen Sicht ist allerdings eine solche vollständige Übereinstimmung nicht realistisch; allenfalls in bestimmten außergewöhnlichen Erkenntnisprozessen, z. B. in der mystischen Erleuchtung, ist vorstellbar, dass die Wirklichkeit an sich erkannt bzw. geschaut oder erlebt wird.


2 Korrespondenz-Theorie
Die Korrespondenz-Theorie geht davon aus, dass es eine genaue Entsprechung zwischen der Wirklichkeit und unserer Erkenntnis gibt. Unsere Erkenntnis korrespondiert mit der realen Welt. Es gibt zwar kein direktes Abbild, aber ein verlässliches Modell oder eine Simulation des Wirklichen.
   Motto: Wahrheit ist eindeutige Entsprechung.
Mathematisch könnte man von einer eineindeutigen „Abbildung“ sprechen („Abbildung“ aber mathematisch nicht im Sinne von Bild, sondern von Zuordnung verstanden). Einem Gegenstand der Wirklichkeit entspricht genau ein Symbol, eine Wahrnehmung o. ä. in unserer Repräsentation, aber es muss keine Ähnlichkeit zwischen realem Objekt und Symbol bestehen.
Hier würde ich auch den Kritizismus  von Kant einordnen, obwohl man dieser Erkenntnistheorie auch einen eigenen Namen geben könnte. Nach Kant sind Raum und Zeit sind Formen der Anschauung und Kategorien sind Formen des Denkens. Wir können die Wirklichkeit nur innerhalb dieser angeboren Strukturen erkennen. Oder, wir erkennen teilweise nur das, was wir vorher selbst auf die Wirklichkeit projiziert haben.
   Andere Wissenschaftler wie z. B. Sapir und Whorf (Sapir-Whorf-Hypothese) betonen die Bedeutung sprachlicher Strukturen für unsere Erkenntnisse. Neurowissenschafter weisen wieder darauf hin, dass Gehirnstrukturen unser Erkennen prägen.
   Diese Theorie ist sicherlich plausibler als die Adäquations-Theorie, sie hat sogar Chancen zur besten Wahrheits-Theorie.


3 Kohärenz-Theorie
Die Kohärenz-Theorie ist noch bescheidender. Sie verlangt von unserer Erkenntnis letztlich nur, dass sie in sich kohärent ist. D. h. wenn wir z. B. eine physikalische Theorie der Materie haben, so verlangt die Kohärenz-Theorie, dass diese Theorie widerspruchsfrei sein muss, es dürfen keine Unstimmigkeiten, Unklarheiten, Mehrdeutigkeiten in der Theorie auftreten.
   Motto: Wahrheit ist Widerspruchsfreiheit.
Z. B. müssen die Begriffe klar definiert sein, man darf nicht den gleichen Begriff mal in der und mal in einer anderen Bedeutung verwenden.
   Diese Forderungen der Kohärenz-Theorie sind sicher berechtigt, aber sie reichen nicht aus. Die Kohärenz-Theorie verzichtet, wenigstens in ihrer strikten Form ganz auf einen unmittelbaren Bezug zur Wirklichkeit, das ist nicht akzeptabel. So kann man zwar die logische Wahrheit eines logischen Systems begründen, aber nicht die Wahrheit von Aussagen über die empirische Wirklichkeit.


4 Konsens-Theorie
Die Konsens-Theorie hat gewisse Ähnlichkeit mit der Kohärenz-Theorie. Auch hier wird auf einen direkten Bezug zur Erfahrungswelt verzichtet. Die Wahrheit, jedenfalls von wissenschaftlichen Theorien, wird durch Entscheidung festgelegt. Und diese Entscheidungen müssen im Konsens getroffen werden, d. h. etwa die Wissenschaftler-Gemeinschaft muss in ihrer Mehrheit zu einer Übereinstimmung kommen, welche wissenschaftliche Theorie wahr ist oder nicht. Dabei soll diese Entscheidung nicht einfach durch bloße Abstimmung getroffen werden, sondern intersubjektiv in Diskussion und Diskurs vorbereitet werden.
   Motto: Wahrheit ist Übereinkunft.
Man kann diese Wahrheits-Theorie auch als Konventions-Theorie nennen, weil Konventionen über die Wahrheit befinden. Diese Theorie kann uns zwar lehren anzuerkennen, dass in der Tat immer auch Entscheidungen an der Wahrheitsbestimmung beteiligt sind, weil sich Wahrheit eben nicht z. B. nur durch Wahrnehmung erkennen lässt. Andererseits ist es aber indiskutabel, ganz auf einen direkten Wirklichkeitsbezug zu verzichten; und vor allem im Alltag, wenn ich z. B. sage, dieses Auto ist blau, wird die Wahrheit dieser Aussage sicher nicht durch Mehrheit entschieden – auch Mehrheiten können sich irren.


5 Evolutions-Theorie
Die Evolutions-Theorie der Wahrheit fällt etwas aus der Reihe. Sie geht ganz anders an das Thema heran, nämlich: Unsere Grundauffassungen müssen wahr sein oder jedenfalls einen großen Wahrheitsgehalt besitzen, denn sonst wären wir als Menschen längst ausgestorben. Nur wahrhaftige Theorien über die Welt helfen uns zu überleben. Wenn ein Urmensch z. B. glaubte, Löwen wären friedliche Pflanzenfresser, dürfte er (in einer entsprechenden Umwelt) kaum überlebt haben.
   Man könnte übertragen sagen: Zwischen Theorien herrscht ein Kampf ums Überleben, und die Theorie setzt sich durch, die ihrem Vertreter Vorteile im Daseinskampf verleiht.
Die Evolutionstheorie ist relativ neu, aber schon früher gab es eine verwandte Richtung, die man auch Pragmatismus nennt. Sie bestimmte das als wahr, was uns bei unserer Lebensbewältigung hilft.
   Motto: Wahrheit ist Nützlichkeit.
Solche Theorien haben sicherlich ihre Berechtigung, aber man darf sie auch nicht verabsolutieren. Eine Theorie beweist nicht schon dadurch ihre Wahrheit, dass es sie  gibt (dann dürfte es streng genommen auch keine gegensätzlichen Theorien geben); umgekehrt, manchmal kann auch eine falsche Theorie nützlich sein, es wurde einmal festgestellt, dass besonders glückliche, lebenstüchtige Menschen besonders viele Illusionen besitzen.  

Alle genannten Wahrheits-Theorien enthalten richtige, aber auch unbrauchbare Elemente. Keine kann für sich allein völlig überzeugen. Sondern wir benötigen eine integrative Meta-Theorie, die daran festhält, dass Wahrheit einen objektiven, realistischen Kern besitzt, aber dass auch angeborene Strukturen, Entscheidungen, Konventionen, Konsens und Nützlichkeitserwägungen in unsere Wahrheitsbestimmungen mit einfließen.

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07.12.15  Sprache und Welt                          

Dieser Text ist für einen Blog-Eintrag schon etwas lang, ich werde ihn auch noch bei den regulären Artikeln einstellen.

Das Verhältnis von Sprache und Welt, Sprachwissenschaft und Ontologie ist ein sehr komplexes und viel beschriebenes.

Grundsätzlich gibt es 2 Theorien:
1. Sprache strukturiert oder determiniert gar unsere Weltsicht.
2. Sprache bildet die Welt bzw. Weltstrukturen nur ab.

Sicher muss man sich das Verhältnis von Sprache und Welt als ein dialektisches vorstellen, es bestehen wechselseitige Beeinflussungen (aber darüber werde ich vielleicht an anderer Stelle schreiben).
Hier und heute will ich nur einen Aspekt herausgreifen: Welche möglichen Ordnungen von Objekten, Eigenschaften und Tätigkeiten gibt es einerseits sprachlich (bzw. sprachtheoretisch) und andererseits ontologisch?


1) Dominanz des Objektes gegenüber Eigenschaften und Tätigkeiten / Normale Sprache
In einer normalen bzw. natürlichen Sprache wie dem Deutschen besteht folgendes Welt-Modell: Es gibt vorrangig
- Objekte (z. B. Pferd) bzw. Subjekte/Individuen (z. B. Sokrates)
- Eigenschaften (z. B. schwarz)
- Tätigkeiten bzw. Verhalten oder Prozesse (z. B. läuft)
Im Grunde ist es komplizierter, denn das Objekt ist inhaltlich bestimmt, d. h. in das Objekt sind bereits – essentielle – Eigenschaften und Tätigkeiten integriert, aber das lasse ich hier einmal beiseite. (Der Begriff „Objekt“ ist hier natürlich nicht im Sinne eines grammatischen Objektes im Satz, gegenüber dem Subjekt, zu verstehen.)

Dieses Weltmodell bildet sich in einem Satz z. B. so ab: „Das schwarze Pferd läuft.“
Das Objekt – Pferd –  ist dominant, ihm werden Eigenschaften oder Tätigkeiten zugeordnet. Entsprechend werden Substantiven Adjektive oder Verben zugeordnet bzw. grammatisch dem Subjekt das Prädikat.


2) Dominanz eines Objektes, das aber abstrakt ist / Formale Sprache
In der formalen bzw. logischen Sprache gilt: Es gibt vorrangig
- eigenschaftslose, abstrakte Objekte
- Eigenschaften
Zu den Eigenschaften gehören aber gleichermaßen komplexe Eigenschaften, die man klassisch als Substanz bezeichnet hätte (wie Pferd sein), singuläre Eigenschaften (wie schwarz) und Tätigkeiten (wie läuft).

Entsprechend gibt es:
- Individuen-Konstanten wie „a“, „b“ oder Individuen-Variablen wie „x“, „y“
- Eigenschafts-Konstanten oder -Variablen wie „F“, „G“.

Das Objekt hat z. B. die Eigenschaften: Pferd, schwarz und läuft. Wenn man die gemeinsame Eigenschaftsstruktur aber deutlicher machen möchte, sollte man z.B. formulieren: „Das Objekt ist pferdig, schwarz und läufig.“
Formal: Fa & Ga & Ha.  
Oder mit Existenz-Quantor: „Es gibt mindestens ein Objekt, für das gilt: es ist pferdig, schwarz und läufig.“
Hier werden in der deutschen Sprache auch Wörter gebildet bzw. verwendet, die es da nicht gibt wie z.B. „pferdig“. Und das Wort „läufig“ hat im Grunde eine andere Bedeutung, man könnte auf „laufend“ ausweichen, aber „läufig“ gibt den Eigenschaftscharakter besser wider. Bei den folgenden Modellen muss man noch mehr auf sprachliche Umformungen zurückgreifen, die in der deutschen Sprache so nicht vorgesehen sind.


3) Dominanz der Eigenschaft
Hier wird die eigentliche Eigenschaft, vor allem die Farbe (z. B. schwarz) objektiviert, zum quasi-Objekt erhoben, sprachlich substantiviert,  jedenfalls grammatikalisch zum Subjekt. Die Substanz (im Beispiel Pferd) wird zur simplen Eigenschaft degradiert bzw. adjektiviert, die Tätigkeit (läuft) bleibt erhalten.
„Das pferdige Schwarz läuft.“ Oder: „Die pferdige Schwärze läuft.“

Die Tätigkeit kann aber auch zu einer Eigenschaft, gemäß dem Modells der formalen Sprache, umgedeutet werden: „Die Schwärze ist pferdig und läufig (bzw. laufend)“, im Sinne von: „Der Schwärze kommen die Eigenschaften pferdig und läufig zu.“


4) Dominanz der Tätigkeit
Man kann aber auch eine Dominanz der Tätigkeit bzw. normalsprachlich des Verbs annehmen. Beispiel:„Das Laufen ist pferdig und schwarz.“ Genauer: „Dem Laufen kommen die Eigenschaften pferdig und schwarz zu.“
Es ist allerdings auch ein radikaleres Modell möglich, bei dem alle Eigenschaften dynamisiert bzw. alle Adjektive verbalisiert werden. Es gibt einen dominanten Prozess (Tätigkeit), dem andere Prozesse (Tätigkeiten) zugeordnet werden.
„Das Laufen pferdet und schwärzt.“


5) Ohne Objekt
Auch in der formalen Sprache gibt es noch ein, wenn auch formales Objekt. Aber es ist sogar ein Modell denkbar, in dem es gar kein Objekt mehrexistiert. Es gibt wissenschaftlichen Theorien (Quantentheorie), aber vor allem Weltanschauungen (wie den Buddhismus), die eine entsprechende Weltsicht vertreten, dass es gar kein Objekt, keine Substanz oder kein Ich gibt, dass dies nur Illusionen oder Täuschungen sind.
Das kann man sich einerseits in einer Eigenschafts-Interpretation vorstellen z. B.: „An der Raum-Zeit-Stelle gibt es Pferdiges und Schwarzes und Läufiges.“
Naheliegender ist aber eine Tätigkeits-Interpretation, nach der nur der Fluss, die Dynamik, der Prozess existieren.
Man könnte das z. B. formulieren: „An der Raum-Zeit-Stelle xy gibt es ein Pferden und Schwärzen und Laufen.“ oder: „An der Raum-Zeit-Stelle xy pferdet es und schwärzt es und läuft es.“ Aber das „es“ kann man ja immer noch als ein Art Objekt verstehen, konsequenter würde man daher formulieren: „An der Raum-Zeit-Stelle xy pferden und schwärzen und laufen.“

Die Möglichkeiten 3) bis 5) kann man zwar durch sprachliche Umformulierungen ausdrücken, aber sie sind in der normalen Sprache – der deutschen und verwandten  Sprachen – nicht vorgesehen, solche Sätze wie z. B. „Das Laufen pferdet und schwärzt“ sind grammatikalisch unkorrekt. Ob es natürliche Sprachen gibt, die eine entsprechendes Weltbild wie in 3) bis 5) besitzen, ist mir derzeit nicht bekannt.

Sicher ist aber: Eine Sprache kann nur überleben, wenn sie (einigermaßen) funktional ist. D.h. wenn sie ihrem Sprecher erlaubt, die Welt so zu begreifen und sprachlich zu beschreiben, dass er darin überleben kann. Sonst stirbt die – dysfunktionale – Sprache mit ihrem Sprecher.

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