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25.06.16  Drei Ansätze der Logik

 

In der herkömmlichen Logik gibt es vor allem drei Ansätze, den Gegenstandsbereich der Logik zu bestimmen:

·  Psyche

In der traditionellen Logik wurden psychische Entitäten, wie Begriffe oder Urteile bzw. Gedanken, als Gegenstand der Logik angesehen, wie auch die Kennzeichnung „Lehre vom folgerichtigen Denken“ zeigt. Der Terminus ‚Begriff’ kann allerdings auch auf sprachliche oder  reale Entitäten angewandt werden.

·  Sprache

In der modernen Logik gelten primär sprachliche Entitäten wie Prädikate oder Sätze bzw. Aussagen als Gegenstände der Logik. Man kann hier von einer sprachlichen bzw. linguistischen Orientierung der Logik sprechen.

·  Realität

In der mathematischen Logik und vor allem in verwandten Disziplinen wie  Mengenlehre oder Statistik bezieht man sich primär auf reale Entitäten wie Ereignisse, Sachverhalte oder Mengen. Diese realen Entitäten können allerdings abstrakt sein.

   

1) Vor-  und  Nachteile

Alle drei Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile:

 

· Psyche: Psychisches wie Gedanken sind uns (in unserem Bewusstsein)  primär gegeben, Sätze oder Sachverhalte sind nur indirekt gegeben. Aber Psychisches ist schwer zu präzisieren, außerdem besteht die Gefahr des Psychologismus, d. h. dass man logische Gesetze mit psychologischen Denkgesetzen verwechselt. Logisch wahr wäre dann das, was die meisten Menschen denken bzw. für logisch korrekt halten; doch wir wissen aus Untersuchungen, dass die Menschen in ihrem Denken viele logische Fehler begehen.

 

·  Sprache: Ein Satz ist präziser zu fassen und zu beschreiben als ein Gedanke. Allerdings besteht hier folgende Unklarheit: Zum einen bezieht man sich auf (Aussage-) Sätze als syntaktische Gebilde, zum anderen bezieht man sich - semantisch -  auf Aussagen (oder Propositionen), die man als Bedeutungen von Sätzen auffassen könnte; Bedeutungen sind aber ebenfalls schwer zu fassen, andererseits werden sie in erster Linie wieder als reale oder auch psychische Entitäten interpretiert, so dass hier kein eigenständiger Bereich gegeben ist.  Generell gilt: Sprachliche Zeichen stehen nicht für sich selbst, sondern sie bezeichnen oder benennen etwas. Nur in Bezug auf dieses Bezeichnete lassen sie sich letztlich verstehen.


   Außerdem gibt es die Ungereimtheit, dass man sich auf der oberen Ebene – sprachlich –  auf Sätze/Aussagen bezieht, auf der unteren Ebene – real – doch auf  Individuen bzw. Klassen. So formuliert man z. B. in der Prädikaten-Logik: a Î F (das Individuum a ist Element der Klasse F), hier ist also eindeutig von realen Entitäten die Rede. Der durchgängige Bezug auf Wörter bzw. Zeichen wäre eben sehr kompliziert, falls man von rein syntaktischen Analysen  absieht. Wenn man wirklich konsequent einen sprachlichen bzw. linguistischen Ansatz durchziehen wollte, also ausschließlich über sprachliche Entitäten sprechen wollte, dann müsste man jeden Satz bzw. jedes Wort - meta-sprachlich - in Anführungszeichen schreiben, was aber doch nicht getan wird.

 

· Realität: So spricht vieles dafür, die reale Ebene als fundamental anzusetzen. Denn erstens erhalten sprachliche Zeichen wie auch psychische Repräsentationen ihre Bedeutung normalerweise nur durch den Bezug auf die Realität. Zweitens hat Logik  es mit Wahrheit, Richtigkeit, Gültigkeit u. ä. zu tun. Um aber (sprachlich) einen Satz oder (psychisch) einen Gedanken als wahr bzw. falsch zu kennzeichnen,  gibt man an, ob er mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Auf einen extremen Konstruktivismus oder Idealismus, der Wahrheit nur noch im Subjekt selbst gegeben sieht, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Allerdings gibt es auch bei der realistischen Theorie Probleme, z. B. „negative Sachverhalte“, also „nicht bestehende Sachverhalte“. Außerdem werden wir noch sehen, dass dieser Bezug auf die Wirklichkeit bei analytischen Aussagen nur noch indirekt gegeben ist.


   Letztlich bietet sich eine Deutung der Logik an, die zwar realistisch orientiert ist, aber auf eine abstrakte, formale Welt Bezug nimmt; das wird in der Integralen Logik verwirklicht.


  

2) Logik  als  Theorie  der  formalen  Welt

Die von mir entwickelte Integral-Logik geht davon aus, dass die Logik unabhängig von den obigen Interpretationen ist. Für die Philosophie ist es von Bedeutung, ob man von Sätzen, Sachverhalten oder Urteilen ausgeht, für die Logik ist es letztlich irrelevant. Man kann sie auf alle drei Bereiche beziehen. Sinnvoller ist aber, sie unabhängig von diesen Bereichen zu definieren.  So gehe ich vorrangig - ontologisch neutral - von Relationen oder Strukturen aus, anstatt von Sachverhalten, Sätzen oder Urteilen.


   Die Logik betrifft die Welt der abstrakten Formen: In ihr spielen Materie, Zeit, Raum, Energie aber auch Bewusstsein usw. keine Rolle, sondern nur  funktionale Abhängigkeiten oder korrelative Beziehungen. Die Gesetze der Logik gelten in jeder anderen Welt, also der psychischen, der sprachlichen und der materiellen Welt. Bzw. kann man die Gesetze der Logik auf jede andere Welt anwenden.   

Wenn sich die Integrale Logik auch auf abstrakte Entitäten bezieht, so steht sie doch der realistischen Interpretation am nächsten, weil sich dies gerade im Bereich von Objekten anbietet. Insofern baue ich die Logik auch von den Objekten her auf und nicht, wie sonst häufig, von den sprachlichen Zeichen, also z. B. Eigennamen und Prädikatoren.


   Wenn man also die Logik realistisch deuten kann, so ist doch folgendes zu bedenken: Es geht in der Logik nie um konkrete Dinge, Klassen von konkreten Dingen oder Relationen zwischen  konkreten Dingen, sondern nur um die Form. Anders gesagt, es geht um eine abstrakte Welt, mit abstrakten Dingen usw.   Zuweilen bietet es sich aber an, bei der Darstellung bestimmter logischer Probleme doch auf eine konkrete, z. B. sprachliche Spezifizierung, etwa Aussagesätze, Bezug zu nehmen. Und bei Beispielen muss man ohnehin aus der abstrakten Welt zur konkreten Welt hinabsteigen.    Außerdem, trivialerweise muss sich eine (schriftliche) Arbeit über Logik notwendig der sprachlichen Zeichen bedienen. 


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12.06.16  Gültigkeit der Logik (2)

4) Denken

Dies ist die nach dem Konventionalismus  heute verbreitetste Auffassung, die auch schon eine lange philosophiegeschichtliche Tradition besitzt: Logische Strukturen sind kognitive Strukturen, sind Denkstrukturen. Und zwar geht man dabei normalerweise davon aus, es sind angeborene Denkstrukturen, denn sonst müsste man letztlich auf einen Empirismus zurückgreifen. Diese Position kann man Kognitivismus, Rationalismus oder Mentalismus nennen.

  Die Argumentation ist hier stringenter als bei der Sprache. Es mag zwar auch verschiedene Denkstile geben, aber letztlich nur ein Denken. D. h. wir können nur soweit logisch denken, wie unsere Denkstrukturen das zulassen. Und es ist wahr, wir können die logischen Gesetze nur erkennen, wenn unser Denken das erlaubt.


   Aber ähnlich wie bei der Sprache ist das Problem: Wir können so die Herkunft der Logik erklären, aber lässt sie sich so begründen? Es ist doch erwiesen, dass viele Menschen in  vielen Situationen unlogisch denken. Die logischen Strukturen können also keine reinen Abbildungen der Denkstrukturen sein. Es hilft auch kaum weiter, hier statistisch vorzugehen und zu sagen, die Mehrheit hat Recht, so wie die Mehrheit denkt, das ist logisch. Aus diesen Gründen ist ja der Psychologismus, die psychologische Begründung der Logik, immer wieder abgelehnt worden.


   Interessant ist hier: Kaum ein Mensch, der nicht logisch geschult ist, wird bewusst und explizit logische Gesetze angeben können. Offensichtlich verfügt der Mensch also unbewusst über einige logische Regeln, da er doch in Grenzen zu logischem Denken befähigt ist. Dieses Phänomen, dass wir unbewusst „klüger“ sind als bewusst, tritt allerdings nicht nur bei der Logik auf:  Z. B. können alle (gesunden) Menschen halbwegs fehlerfrei ihre Muttersprache sprechen, aber kaum einer kennt die  relevanten grammatischen Regeln, von komplizierten linguistischen Konstruktionen gar nicht zu sprechen.


   Bezieht man allerdings die evolutionäre Erkenntnistheorie mit ein, können sich die Argumente für eine kognitivistische Logikbegründung verstärken. Man kann argumentieren: Unser - logisches - Denken hat sich im Zuge der Evolution herausgebildet und optimiert; wenn es nicht korrekt wäre, hätten wir als Art nicht überlebt. Nehmen wir als simples Beispiel: „Alle (bekannten) Löwen sind gefährlich, dies ist ein Löwe, also ist er gefährlich“. Wenn es dem Menschen nicht gelungen wäre, solche realistischen logischen Strukturen zu entwickeln und entsprechend zu handeln bzw. zu reagieren, dann  hätte er keine Chance gehabt, zu überleben.

Pointiert könnte die These lauten: Man begründet die Logik durch den Selektionsvorteil, je mehr ein Denken die Überlebenschance erhöht, desto logischer ist es.


   Diese Argumentation ist nicht ganz von der Hand zu weisen, aber sie hat auch ihre Mängel. Denn es zeigt sich doch, dass die Menschheit und einzelne Menschen überleben, obwohl sie vielfach unlogisch denken. Oder sogar weil? U. U. ist logisches Denken in gewissen Situationen gerade für das Überleben hinderlich, weil es das Handeln lähmen kann, wenn man zu genau die Möglichkeiten des Handelns und deren wahrscheinliche Konsequenzen abschätzt.


      

5) Absolute  Ideen

So komme ich zu dem Ergebnis, dass die beste Erklärung ist: Logische Strukturen sind Strukturen einer formalen Welt, die unabhängig vom Menschen existiert, unabhängig von seinem Denken und Sprechen, von seinen  Wahrnehmungen und erst recht Festsetzungen. Logische Basis-Gesetze sind „Ideen“, ewige Wahrheiten; das gilt nicht für jeden spezialisierten Logikkalkül. Ich vertrete die – zunächst vielleicht altmodisch anmutende – Auffassung, dass die Logik am besten als ein System idealer Entitäten verstanden werden kann. Diese Position kann  man als Platonismus oder Idealismus bezeichnen. Die Logik wird hier so begründet, dass sie die Struktur einer idealen, formalen Welt ist bzw. als Lehre diese Welt beschreibt.

   Wie ist es dem Menschen möglich, die logischen „Ideen“ zu erkennen? Weil er das kognitive Potential dazu hat. Das ist die einfachste Erklärung, allerdings keine völlig ausreichende.


   Man könnte auf die klassischen Erklärungen verweisen wie Erinnerung an eine frühere geistige  Existenz, höheres Erkennen usw. Dies ist aber aus heutiger Sicht sehr spekulativ. Da ein empirischer oder sprachlicher Zugang kaum in Frage kommt, muss man auf die Kognition verweisen: die angeborene Befähigung zum logischen Denken bzw. angeborene logische Ideen.  Auch wenn der Mensch die Fähigkeit zum korrekten logischen Denken besitzt, bedeutet das ja noch nicht, dass er zwangsläufig immer logisch denkt. Von daher genügt es auch nicht zu sagen: Logische Gesetze sind evident, also unmittelbar einsichtig und unbestreitbar; denn es mag auch möglich sein, sich über Evidenz zu irren – außerdem besitzen unterschiedliche Strukturen der Logik sicher unterschiedliche Evidenz; z. B. ist die Definition der logischen Implikation sicher keinesfalls evident, wie noch sehr genau diskutiert werden  wird.

 

  Eine wirklich überzeugende Theorie, wie die Logik zu begründen ist und wie wir die Logik erkennen können, steht noch aus. Sie wird vermutlich folgende Faktoren umfassen müssen: angeborene Denkstrukturen, evolutionärer Erfolg, eventuell auch Kriterien der Ästhetik; vielleicht müssen auch alle oben genannten Begründungsfaktoren integriert werden.

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23.05.16  Gültigkeit der Logik (1) 

Die Begründung bzw. Gültigkeit der Logik ist sehr umstritten. Zunächst wäre zu fragen, was überhaupt ‚Begründung’ bedeuten soll. Beschränkt man sich der Einfachheit halber auf logischen Aussagen  bzw. (Relationen), so lässt sich fordern: Logische Aussagen müssen wahr sein.


Es kann hier nicht die Problematik von Wahrheitstheorien bzw. der Definition des Wahrheitsbegriffes verfolgt werden. ‚Wahrheit’ heißt in allgemeinster Weise: Übereinstimmung. Übereinstimmung mit der empirischen Realität, mit der geistigen, formalen Realität, mit unserem Denken oder einfach bestimmten Regeln. Mit welchem Bereich die Logik übereinstimmen soll und wie das erkannt werden kann, darüber gibt es viele verschiedene Theorien.


 Es sind vor allem folgende Positionen zu unterscheiden: Konventionalismus, Empirismus, Linguismus, Kognitivismus und Idealismus.   

1) Konvention

Das ist die heute am meisten vertretene Auffassung: Es werden Axiome und Ableitungsregeln festgesetzt, ggf. noch semantische Regeln. Diese Festsetzungen sind zwar begründet, aber letztlich nur pragmatisch, dass sie sich als nützlich erweisen. Es geht nicht um absolute Wahrheiten. Was dann abgeleitet wird aus den Axiomen, hat innerhalb dieses Systems absolute Gültigkeit, aber eben nur relativ zu den Axiomen. Die Axiome und die Regeln selbst sind Setzungen, wir konstruieren sie aus unserem Denken. Diese Position, die man weiter differenzieren könnte, nennt sich Konventionalismus, Konstruktivismus oder Pragmatismus.

   Für diese Theorie mag sprechen, dass es unterschiedliche Logiken oder Logikkalküle gibt. Aber man kann dennoch eine Basis-Logik postulieren, auf die alle anderen Logiken Bezug nehmen müssen, und es ist kaum begründbar, dass die Basis-Logik letztlich willkürlich sein soll. In ihr muss z. B. der Satz vom ausgeschlossen Widerspruch gelten. Bestimmte Logik-Systeme wie die Fuzzy-Logik oder auch die sogenannte Quanten-Logik hebeln dieses Grundgesetz nicht aus, obwohl dies oft fälschlich behauptet wird.   


2) Empirie

Nur noch selten wird heute behauptet, dass die Logik aus der Empirie abgeleitet ist. Diese Position nennt sich Empirismus oder Realismus. Man könnte z. B. argumentieren: Wir nehmen wahr, beobachten, dass etwas nicht gleichzeitig blau und nicht blau sein kann, also z. B. blau und rot. Aus solchen Erkenntnissen könnte man dann ein allgemeines logisches Gesetz ableiten: Etwas kann nicht zugleich eine Eigenschaft und die entgegengesetzte Eigenschaft besitzen. Logische Gesetze wären dann im Grunde Real-Gesetze.

   Es ist richtig, dass wir die logischen Gesetze in der empirischen Wirklichkeit vorfinden, aber d. h. heißt nicht, dass sie von daher begründet wären. Ein  Beweis aus der Beobachtung bliebe ja immer induktiv, wir könnten aus endlich vielen Beobachtungen kein unbegrenztes  Gesetz ableiten, das für unendlich viele, für alle Fälle, sichere Erkenntnis garantiert. Dieses Problem stellt sich auch in den empirischen Wissenschaften, aber da ist es akzeptabel; doch logische Gesetze sind eben auch gerade dadurch unterschieden von empirischen Gesetzen, dass sie vollständig gesicherte Gültigkeit beanspruchen.

    

3) Sprache

Das Argument lautet: Logische Strukturen sind letztlich Sprachstrukturen, logische Gesetze sind somit letztlich grammatische Gesetze. Man könnte diese Position Linguismus nennen. Ein Vorteil dieser Position ist, dass uns Sprachstrukturen gut zugänglich, gut erkennbar sind. In der Tat ist die Logik eng mit der Sprache verwandt, schon deshalb, weil wir logische Aussagen, wie andere Aussagen,  in Sprache ausdrücken müssen. Aber es gibt offensichtlich sehr unterschiedlich strukturierte Sprachen, und in allen kann man logische Aussagen machen.

   Zwar gibt es auch Sprach-Universalien, aber es dürfte kaum gelingen, alle logischen Strukturen als solche Universalien darzustellen. Auch die Annahme einer einheitlichen logischen Tiefenstruktur, die der unterschiedlichen Oberflächenstruktur zugrunde liegt, hilf nicht weiter. Es ist kaum vorstellbar, dass die Sprache eine bestimmte Logik erzwingt.       Außerdem hat man eigene logische Sprachen entwickelt. Die lassen sich zwar partiell auf natürliche Sprachen übertragen, aber eben nur partiell. Z. B. ist die sprachliche  Subjekt-Prädikat-Struktur (bzw. Subjekt-Prädikat-Objekt-Struktur) doch strukturell verschieden von der formal-logischen Argument-Prädikat-Struktur, wie noch gezeigt werden soll.  

 Aber entscheidend ist: Die Berufung auf die Sprache könnte  letztlich nur dazu dienen zu erklären, wie Logik entstanden ist, aber kann sie keinesfalls in ihrer Gültigkeit begründen. Denn man geriete dann in einen Regress, man müsste ja weiter begründen, warum sprachliche  Strukturen gültig sind, was auch immer das bei der Sprache bedeuten soll – in erster Linie könnte es ja nur um eine Übereinstimung mit der empirischen Realität gehen.    Man kann jedenfalls mühelos  einen grammatisch korrekten Satz formulieren, der dennoch logisch falsch ist, z. B.: ‚Wenn alle Menschen Säugetiere sind, dann sind auch alle Säugetiere Menschen’. Allein dies zeigt schon, dass man Logik und Sprache nicht identifizieren darf.    


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16.05.16  Technik-Star Computer

 

Die vielleicht wichtigste Technologie, die - als eine Art Meta-Technik - bei fast allen anderen technischen Systemen gebraucht wird, ist die Computertechnik. Trotz dieser Hoch­schätzung des Computers, skeptisch sehe ich den - ebenfalls auf dem Computer basierenden - Boom in Multimedia, der Ver­bindung von Informations- und Kommunikationstechnologie mit der Unterhaltungselektronik.

Großartig wird hierbei von Informationszeitalter gesprochen, während für andere die "Informationsgesellschaft" schon wieder out ist, weil jetzt angeblich die "Online-Gesellschaft" (Michael-A. Konitzer) ansteht. Dass für den Microsoft-Boss Bill Gates "Der Weg nach vorn" ausschließlich über den PC läuft - aber bitte mit Microsoft-Programmen - braucht niemand zu verwundern ...

 

Ich möchte die wichtigsten Kritikpunkte kurz auflisten:


1. Schon der Medienpropagandist Marshall McLuhan träumte vom "globalen Dorf" - durch das Fernsehen. Heute geht es dabei um das Internet, das weltweite Computernetz. Aber wollen so viele Menschen überhaupt diesen anonymen Massen­kontakt? Progressive Esoteriker schwärmen schon vom spiritu­ellen Super-Bewusstsein durch die "große Vernetzung". Tatsäch­lich werden - von echter Informationssuche auf dem Datenhighway abgesehen - vor allem Trivialitäten ausgetauscht. Schnell haben sich auch Faschismus und (Kinder-)Pornographie einen Platz im Netz erobert, so dass die deut­schen und internationalen Staatsanwaltschaften fast ständig im Dauereinsatz sind. Der Mensch ist eben auch online nicht besser, klüger oder edler als sonst ...


2. Natürlich bietet das Internet viele nützliche Funktionen, so lange man es in vernünftigem Maß nutzt. Aber extrem genutzt wird es gerade von Menschen, die kontaktgestört sind (oder es werden wollen). Noch mehr gilt das für den Cyberspace, wo man nur noch virtuellen Personen in einer "Datenwelt" begegnet. Selbstverständlich gibt es auch viele wichtige Cyberspace-Anwendungen. Wer aber in die virtuelle Realität flüchtet, der verliert die Beziehung zur echten Wirklichkeit. Und in der leben und lieben, arbei­ten und essen wir. Ein virtuelles Brot macht nicht satt - und Cyber-Reisen lösen nicht unsere Probleme. Seitdem das mobile Internet über Laptops, Tablets oder Smartphones den Markt erobert hat, ist Internet-Sucht keine Krankheit einer Randgruppe mehr, sondern quasi eine Volksseuche.


3. Die Computer sollten zu großer Arbeitserleichterung und zum papierlosen Büro führen. Aber die Menschen (die noch einen Job haben) arbeiten eher mehr als früher, und die Drucker produzieren eine Papierflut. Man spricht vom "Trödelfaktor", weil die PC-Arbeit oft zu überflüssigem Perfektionismus oder zu unnötiger Bürokratie führt. Außerdem sind viele Programme fehlerhaft, und wenn der Rechner "abstürzt", geht gar nichts mehr.


4. Man liest, wie großartig es zukünftig sein wird, wenn wir im vollelektronisierten Heim - vom Sessel aus - nahezu alles mit einer Fernbedienung steuern können: TV, DVD, Ste­reoanlage, Herd, Kaffeemaschine, Badewanne, Rolladen etc. Ich frage mich: Geht es eigentlich um eine Wohnung für Behin­derte? Was ist so toll daran, sich kaum mehr aus dem Sessel zu erheben? Dafür muss man dann täglich ins Fitness-Studio, um den vernachlässigten, "versesselten" Körper wieder aufzutrai­nieren.


5. Ebenfalls fragt man sich, ob die meisten Menschen sich wirklich tagtäglich von 500 Programmen eines "digitalen Fern­sehens" berieseln lassen wollen und dafür Zeit haben. In den USA gibt es bei der Industrie schon reichlich Enttäuschung, weil die Pay-TV-Programme (oder Video-on-demand) lange nicht so nachgefragt werden wie erwartet. Man kann es allerdings zynisch sehen, so wie Schneider und Fasel in "Wie man die Welt rettet und sich dabei amüsiert": Da es immer mehr Arbeitslose gibt, werden die am besten durch Dauerfernsehen "ruhiggestellt" (wenn sie sich dabei nur nicht "zu Tode amü­sieren"). Vielleicht sind sie allerdings auch ausreichend beschäftigt, denn die modernen Unterhaltungsgeräte sind dank übervieler unnützer Funktionen so kompliziert, dass man sich daran eine Ewigkeit abarbeiten kann.


6. Bedauerlicherweise dringen Computer immer mehr in die Intimsphäre des Menschen ein. Seine Daten werden - oft unter Umgehung des Datenschutzes - auf zig Dateien gespeichert. Stichwort: gläserner Mensch. Eine ähnliche Fehlentwicklung ist die zunehmende Überwachung durch Verbindung von Video- und Computertechnik. Beispielsweise werden in Monte Carlo schon heute alle zentralen Straßen mit Videokameras kontrol­liert. Das mag zur Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung in engen Grenzen sinnvoll sein, kommt aber doch George Orwells "1984" beklemmend nahe - "Big Brother is watching you". Wie weit ist es dann noch bis zu einer "Gedankenpolizei", die (etwa mittels Computeranalyse der Gesichtszüge) nach "Gedankenverbrechern" fahndet?

 

Technik- bzw. Computerkritiker sehen gerade solche Miss­stände als unvermeidliche Auswirkung der (Computer-)Technik. Ich halte das für fragwürdig. Es liegt an uns, Technik nicht für Kinkerlitzchen, Bürokratismus oder zur Befriedigung paranoischer Überwachungsbedürfnisse einzusetzen, sondern für sinnvolle Zwecke. Und uns überhaupt auf solche Techniken zu konzentrieren, die wir für das Überleben in der Zukunft wirk­lich brauchen.


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09.05.16  Weil er’s kann …   

 

Wahrscheinlich haben Sie auch schon einmal eine Begründung der folgenden Art gehört: Jemand tut etwas, weil er es kann. Meistens geht es dabei um ein ziemlich irrationales Verhalten.

Z. B.  ein junger Mann trinkt sich ins Koma. Warum? Weil er’s kann.

Oder: Jemand fährt eine Stunde ununterbrochen in einem Kreisverkehr. Warum? Weil er’s kann.

Diese Begründung „weil er‘s kann“, natürlich auch: „weil sie’s kann“ u.ä. mag auf den ersten Blick akzeptabel erscheinen, aber analysieren wir es genauer:

 

Eine Person a tut eine Handlung F, weil a die Handlung F tun kann. Kurz:

a tut F, weil a F tun kann.

 

Oder drehen wir den Satz um, um die Begründungsstruktur deutlicher zu machen:

Weil a F tun kann, tut a F.

 

1) Modal-Logik    

 

Man könnte das auch so umformulieren:

 

a tut F, weil es möglich ist, dass a F tut.   bzw.

Weil es möglich ist, dass a F tut, tut a F.

Formal-logisch: a kann F tun --> a tut F

 

Das ließe sich verallgemeinern zu: Etwas ist wirklich, weil es möglich ist.

Bzw.: Weil etwas möglich ist, ist es auch wirklich.

In logischer Verallgemeinerung: möglich --> wirklich

(Dabei ist allerdings einschränkend zu sagen, dass --> logische Folge ausdrückt, aber nicht zwangsläufig Kausalität.)

 

Der Begriff „möglich“ verweist auf die Modal-Logik.

Modal-logisch ist „Etwas ist wirklich, weil es möglich ist“ aber kein gültiges Gesetz.

Sondern in der Modal-Logik ergibt sich gerade umgekehrt:

Wenn etwas wirklich ist, muss es auch möglich sein, kann es auch passieren.

 

a tut F --> a kann F tun

wirklich --> möglich

 

Dies ist ein modal-logischer Schluss.

Logisch ist „a tut F“ die hinreichende Bedingung, „a kann F tun“ ist die Folge.

Man kann also erklären: Weil a tut F, kann a F tun.

(Das kausale „weil“ passt zwar wie gesagt eigentlich nicht zu einem logischen Schluss, aber man kann es verwenden; strenger ließe sich sagen: wenn a F tut, dann kann a F tun)

 

Man könnte zwar einwenden: a kann F tun ist notwendige Bedingung von „a tut F“, aber eine notwendige Bedingung kann alleine keine Erklärung liefern.

 

2) Ontologie

 

Nun könnte man auch anders ansetzen, in dem man postuliert:

Alles was möglich ist, wird auch Wirklichkeit.

Das wäre allerdings nicht als (modal-)logisches Gesetz zu fassen, sondern als ein ontologisches Gesetz, etwa im Sinne einer Akt-Potenz-Theorie von Aristoteles (in der ein solches Gesetz allerdings nicht gilt).

 

Dann würde gelten:

Wenn a F tun kann, dann tut a auch F.

Damit wäre allerdings noch nicht das „weil“ – die kausale Begründung – gesichert, also: Weil a F tun kann, tut a F.

Außerdem ist das Gesetz „Alles was möglich ist, wird auch wirklich“ spekulativ. Man kann auch schärfer sagen, es ist offensichtlich falsch. In der Wirklichkeit ist (zu einem bestimmten Zeitpunkt, an einem bestimmten Ort) immer nur eine Möglichkeit verwirklicht, z. B. „a tut F“. Die andere Möglichkeit „a tut nicht F“ kann nicht gleichzeitig real sein.

Man könnte zwar argumentieren, es gibt so viele Welten (Realitäten), wie es Möglichkeiten gibt. So gesehen wäre jede Möglichkeit in irgendeiner Welt real. Aber das ist wiederum völlig spekulativ, eventuell auch nur eine semantische Spielerei.

   

3) Psychologie

 

Eine Abwandlung dieses Gesetzes, konkret bezogen auf den Menschen, könnte implizieren: Ein Mensch schöpft sein Potential aus, er verwirklicht sich selbst. Das bedeutet, dass er alles das tut, was er tun kann.

Aber erstens ist das ja offensichtlich nicht wahr. Wir tun doch vieles nicht, was uns möglich wäre zu tun – gottseidank, denn dann würden wir viele Untaten begehen. (Einschränkend könnte man hier auf das Problem der Handlungsfreiheit zu verweisen, über das ich in meinem Blog am  26.02.16    geschrieben habe, aber das möchte ich hier nicht weiter verfolgen).

Und zweitens hat ja auch keineswegs jede unserer Handlungen oder eben Handlungs-Unterlassungen mit unserer Selbstverwirklichung zu tun.

Überhaupt wäre allenfalls zu argumentieren, der Mensch hat einen Impuls, sein Potential auszuschöpfen, aber dies garantiert noch nicht, dass er das auch real tut.

 

Fazit: Die Begründungsform, jemand tut etwas, weil er es tun kann, ist so generell unhaltbar. Es ist mehr eine witzige Form, absurdes oder irrationales bzw. unverständliches Verhalten scheinbar zu erklären. Auch wenn einzelne Elemente dieser Pseudoerklärung,  z. B. psychologischer Art, eine partielle Plausibilität beanspruchen können, als generelles, seriöses Erklärungsmuster taugt dieser Ansatz nicht. Modal-logisch gesehen ist er sogar falsch.


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03.05.16  Logik von Wettervorhersagen 


Ist die Meteorologie eine Wissenschaft? Oder konkreter: Sind ihre Wettervorhersagen (einigermaßen) zuverlässig? Die Wetterleute selbst sind sehr zuversichtlich. Vor allem im Radio oder Fernsehen klingt es meistens so, als ob die Wetterprognosen zu 100% sicher wären. Wenn man sich die Statistiken ansieht, die meist von den Wetterexperten selbst herausgegeben werden, ist zwar von nicht von absoluter Sicherheit die Rede, aber wirklich bescheiden sind sie auch nicht. Sie behaupten z. B. eine Vorhersagegenauigkeit  für 24 Stunden (1 Tag) von mindestens 90%, ja bis zu 99%. Und für die kommenden 3 Tage von etwas mehr als 75%.

 

Dem gegenüber gibt es andere Statistiken, nach denen die Vorhersagegenauigkeit sehr viel schlechter ist, ja womöglich nicht besser als die Zufallserwartung ist (vgl. unten). Und es ist auch die Alltagserfahrung, die immer wieder zeigt, dass der Wetterbericht sehr oft falsch liegt. Und z. B. ein schlechter Ratgeber ist, wenn man einen Ausflug ins Grüne plant.

Zwar stimmt das bekannte Bonmot: „Vorhersagen sind schwierig, vor allem, wenn sie sich auf die Zukunft richten.“ Und man kann das noch verschärfen, dass  es nach heutigem Erkenntnisstand – aus rein physikalischen Gründen – keine vollständig sicheren Prognosen geben kann.


Aber die Wettervorhersagen sind so mangelhaft, dass man ernsthaft in Frage stellen muss, ob die Meteorologie überhaupt eine echte Wissenschaft oder nur eine Pseudowissenschaft ist bzw. eine Wetterkunde, die manches Erfahrungsgut gesammelt hat, aber nicht den Rang einer exakten Wissenschaft besitzt (wie man das übrigens auch für die Wirtschaftswissenschaft, die Medizin u.v.m. bestreiten kann).

 

Im Folgenden will ich einige Probleme von Wettervorhersagen benennen, was über die reine Frage der Treffsicherheit der Prognosen hinausgeht.

 

1) Tautologie

„Es gibt Sonne oder Wolken, und es kann auch regnen.“

Ähnliche Vorhersagen hört bzw. sieht  man häufig. Was soll man damit anfangen? Diese Vorhersage ist immer richtig: Wenn die Sonne scheint, wenn es bewölkt ist und wenn es regnet. Das entspricht dem bekannten Satz: „Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist.“ Einen solchen Satz nennt man eine Tautologie: Sie ist zwar immer wahr, aber sie beinhaltet andererseits keine Information. Viele Wetterberichte ähneln einer Tautologie. Sie sind zwar keine strenge Tautologie (streng genommen müsste die obige Vorhersage auch noch Nebel, Schnee usw. einschließen), aber außerordentlich inhaltsarm. Der Vorteil für den „Wetterfrosch“: Man kann ihm keine Falschvoraussage vorwerfen. Der Nachteil für uns: Wir wissen nicht, wo wir dran sind, wir sind kaum klüger als vor der Vorhersage.

   

2) Zufallserwartung

„Heute Vormittag scheint durchgängig die Sonne bei einer Temperatur von 30 Grad.“

Wirklich? Ich habe mir mal das Vergnügen gemacht, eine kleine private Statistik über die Richtigkeit der Wetterprognosen aufzustellen. Dabei kam Erstaunliches heraus: Etwa 50% der Prognosen sind richtig, und entsprechend sind etwa 50% falsch. Ähnliches bestätigen öffentliche Statistiken. Ein Verhältnis von 50:50% nennt man auch Zufallserwartung. D. h. ein solches Ergebnis ist zu erwarten, wenn man einfach rät. Es gibt z. B. vereinfacht gesagt nur 2 Möglichkeiten: Die Sonne scheint oder sie scheint nicht. Wenn ich rate, habe ich eine Chance von 50%, das Richtige zu treffen.


Man fragt sich, warum die Wetterinstitute einen so extremen Aufwand mit Computern, Messstationen, Wettersatelliten usw. betreiben, wenn das Ergebnis so mager ist. Zwar behaupten die Wetterdienste, dass ihre 24-Stunden-Vorhersagen mit 90% Wahrscheinlichkeit zutreffen. Aber wie es heißt: Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Die Unsicherheit der Prognosen zeigt auch die Unterschiedlichkeit der Aussagen: Bei der ARD regnet es z. B. am Vormittag, bei RTL am Nachmittag, dagegen scheint bei den glücklichen Leuten von Sat1 den ganzen Tag die Sonne.

   

3) Wahrscheinlichkeitsaussagen

„Regenwahrscheinlichkeit 80%.“

Manche Wetterpropheten sind inzwischen etwas vorsichtiger und klüger geworden. Sie machen keine sicheren Voraussagen, sondern nur Wahrscheinlichkeitsaussagen. Damit hatten wir ja bei der Zufallserwartung schon zu tun.

Bei einer Wahrscheinlichkeitsaussage ist der Wetterprognostiker natürlich fein raus. Wenn er sagt: „Regenwahrscheinlichkeit 80%“, und es regnet nicht, kann ihm keiner etwas wollen. Denn dann sind eben die anderen 20% eingetroffen. Unbrauchbar werden Wahrscheinlichkeitsaussagen, je mehr sie sich den 50% nähern, der Zufallserwartung. „Regenwahrscheinlichkeit 50%“. Mit einer solchen Information stehen wir ganz schön im Regen: Schirm mitnehmen oder nicht ? –Das ist hier die Frage.

   

4) Chaostheorie

„Das Wetter ist heute chaotisch.“

Oder sind nur die Wettervorhersagen chaotisch? Genereller gefragt: Warum sind die Vorhersagen so ungenau, und zwar um so ungenauer, je weiter sie in die Zukunft reichen? Nun, das Wetter

 ist ein sehr komplexes Phänomen, bei dem kleinste Änderungen große Auswirkungen haben können. Das fasst man heute unter dem Begriff „Chaos“. So gibt es die bekannte (wenn auch übertriebene) Aussage, dass der Flügelschlag eines einzigen Schmetterlings eine gesamte Großwetterlage ändern kann, der Schmetterlingseffekt. Um ein solches komplexes System zu beschreiben, benötigt man sehr komplizierte  nonlineare Gleichungen, über die man erst ansatzweise verfügt. So können wir bis heute die Komplexität des Wetters nicht eindeutig mathematisch einfangen, und voraussichtlich gibt es prinzipielle Grenzen der Voraussage.  


Genauere Informationen zum Thema finden Sie z. B. im Punkt Buch-Projekte auf meiner Homepage. Ich plante eigentlich ein Buch über dieses interessante und wichtige Thema, aber letztlich wollte kein Verlag das Projekt realisieren, obwohl eine Literaturagentur es anbot.


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